Von Gerd Schneider

Eigentlich kann man vom Ergebnis der Verhandlungen zur Neuauflage der Großen Koalition nicht enttäuscht sein. Denn das würde voraussetzen, dass man hohe Erwartungen an die Sondierungsgespräche gehabt hätte. Doch angesichts der Vorgeschichte um das Jamaika-Projekt und des aktuellen Zustands der SPD wäre das völlig unrealistisch gewesen. Die Sondierungsgespräche endeten vielmehr so, wie nicht anders zu erwarten war. Von wegen großer Wurf und Aufbruchstimmung. Statt dessen: Ein Entwurf, der frei von Visionen ist und aus Versatzstücken sozialdemokratischer Programmatik zusammengeschustert wurde. SPD-Chef Schulz mag damit etwas zum Vorzeigen haben, wenn er in seiner zerrütteten Partei um Zustimmung ringt. Dass die Union, die größere der beiden designierten Regierungspartner, mal eine bürgerlich-konservative Partei war, lassen die Eckpunkte des Programms dagegen nicht einmal ahnen.

Diejenigen, die angesichts der prall gefüllten Staatskasse auf eine Entlastung gehofft hatten, werden ernüchtert sein. Von den Steuersenkungsversprechen der Union im Wahlkampf ist nicht viel übrig geblieben. Selbst vom schrittweisen Abbau des Solidaritätszuschlags, der in den nächsten Jahren umgesetzt werden soll, profitieren nicht alle. Die „Besserverdienenden“ werden weiter zur Kasse gebeten. Dazu zählen nicht nur die richtig Reichen, sondern alle, die mehr als 60 000 Euro im Jahr verdienen. Und denen droht zudem eine verkappte Steuererhöhung. Schwarz-Rot will die Abgeltungssteuer abschaffen. Kapitaleinkünfte werden dann nicht mehr pauschal mit 25 Prozent versteuert, sondern mit dem persönlichen Steuersatz, also bis zu 42 Prozent. Und das in einem Land, das nach Belgien die höchste Abgabenlast in ganz Europa hat.