Von Mirjam Moll

Günther Oettinger ist noch einmal davon gekommen. Und statt eines blauen Auges trägt er allenfalls eine leichte Schwellung davon. Die erwartete Kritik des Europäischen Parlaments fiel deutlich geringer aus, als es die scharfen Töne Anfang der Woche noch vermuten ließen. Darauf aber sollte sich der neue Haushalts- und Personalkommissar nicht ausruhen. Die Tatsache, dass Behördenchef Jean-Claude Juncker erst einmal nicht darüber nachdenken will, ob er dem für Fettnäpfchen prädestinierten Kommissar auch die Rolle des Vizepräsidenten zutraut, kommt einer Verwarnung gleich. Oettinger sollte sie ernst nehmen. In den kommenden Wochen und Monaten täte er gut daran, nicht für neue Schlagzeilen zu sorgen - und stattdessen mit seiner Arbeit zu überzeugen. Dazu bekommt er nun die Chance: Wenn Oettinger eines kann, dann ist es, mit Zahlen zu jonglieren - vor allem aber sauber zu kalkulieren. Gleichzeitig muss der neue Haushaltskommissar allerdings darauf achten, dass er als europäischer Vertreter, nicht als deutscher spricht. Denn für Kritiker wäre es ein gefundenes Fressen, wenn er scheinbar die Politik von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble auf EU-Ebene umsetzt. Auch deshalb täte Oettinger gut daran, in Zukunft sorgfältig abzuwägen, mit wem er sich trifft. Das Transparenzregister ist für alle einsehbar. Und nach den vergangenen Skandalen darf der Budgetkommissar davon ausgehen, dass ihm umso genauer auf die Finger geschaut wird - von außen wie von innen.