Von Michael Weißenborn

Dank ihres „kolossalen Missmanagements“ seien die Vereinten Nationen zum Scheitern verdammt. Die UN-Bürokratie sei so „verrückt kompliziert“, verschlinge so viel Energie und scheitere am Ende daran, bei Krisen wie in Syrien oder dem Südsudan notleidenden Menschen zu helfen. Die UN seien „ein schwarzes Loch, in dem Unsummen an Steuergeld verschwinden zusammen mit vielen Hoffnungen, die nie wieder gesehen werden“. Das niederschmetternde Urteil über die Weltorganisation stammt nicht aus dem Mund des US-Präsidenten Donald Trump, sondern von dem früheren UN-Spitzenbeamten Anthony Banbury. Nach Jahrzehnten hatte dieser 2016 seinen Job frustriert hingeschmissen.

Trump klingt jetzt ähnlich, vielleicht sogar ein wenig versöhnlicher. Bei seinem allerersten Auftritt vor versammelter Welt warf der Präsident den UN vor, in den vergangenen Jahren „nicht ihr volles Potenzial ausgeschöpft“ zu haben. Die UN kosteten zwar eine Menge Geld, doch wenn die Organisation dabei helfe, den Weltfrieden zu sichern, dann „wäre es die Investition sehr wohl wert“. Nach völliger Abkehr von internationaler Zusammenarbeit hört sich das nicht an. Im Wahlkampf hatte Trump noch viel radikaler geredet. Da waren die UN für ihn ein korrupter, nutzloser Club für globale Eliten, der es nicht verdiene, von hart arbeitenden US-Steuerzahlern ausgehalten zu werden.

Trump wäre nicht Trump, wenn er seine Rede vor der UN-Vollversammlung nicht mit einigen Aufregern ausstaffiert hätte, die manchem altgedienten Diplomaten die Schamesröte ins Gesicht trieb. So prangerte er Nordkoreas brutalen Diktator Kim Jong-un als „Raketenmann auf Selbstmordmission“ an und drohte ihm mit viel Bombast im Kriegsfall die völlige Zerstörung des Landes an. Im Kern bekräftigt Trump damit nur die althergebrachte nukleare Abschreckung in Nordostasien, um noch mehr Engagement von China und Russland zu fordern. Den Abrüstungsdeal mit dem Mullah-Regime im Iran verdammt er zwar, doch er kündigt den Vertrag nicht, wie von manchen befürchtet, einseitig auf.

In der Substanz fällt Trumps Auftritt überraschend konventionell aus. Er ist keine radikale Abkehr von der amerikanisch inspirierten Weltordnung. Ganz offensichtlich will seine Regierung bei außenpolitischen Entscheidungen künftig stärker nationale Souveränität und Selbstinteresse zugrunde legen als einen wohlmeinenden Universalismus. In seiner selektiven Kritik undemokratischer Regime von Kuba bis Venezuela (nicht Saudi Arabien oder Ägypten), setzt Trump sich trotzdem für die Menschenrechte ein. Als er dann auch noch darauf setzte, dass die Rechtschaffenheit das Böse besiegen werde, klang er schon fast so religiös wie Ronald Reagan. Selbst Harry Trumans Marshall-Plan für Europa und Amerikas UN-Mitgliedschaft pries Trump als Eckpfeiler einer besseren Welt.

Zuviel Stimmigkeit darf Trumps Rede allerdings nicht unterstellt werden. Das Spannungsverhältnis zwischen nationaler Souveränität und universellen Menschenrechten und Werten ist so alt wie die Weltorganisation selbst. Trump ist nicht der erste US-Präsident, der vor allem eigene Interessen im Auge hat. Doch wenn er zu Recht vermerkt, Nordkorea falle nicht in die alleinige Verantwortung der USA - „dafür sind die Vereinten Nationen da“ -, dann muss seine Regierung auch engagiert helfen, dass die Staatenwelt besser zusammenarbeitet und ihre Organisation funktioniert. Man darf gespannt sein. Bisher bleibt Trump beklagenswert vage. Den UN nur mit Mittelkürzungen zu drohen, ist dafür kein Ersatz.