Foto: Bulgrin

Von Gerd Schneider

Immerhin, ein wichtiges Ministerium ist der Union geblieben: Sie darf weiterhin die Regierungschefin stellen. Doch wird Angela Merkel überhaupt noch als Kanzlerin der CDU wahrgenommen? Die nach mühseligem Ringen getroffene Koalitionsvereinbarung wirkt in Gänze so, als würde Merkel die Sozialdemokratisierung der einstmals konservativen Partei in den nächsten Jahren vollenden wollen. Abgesehen von der künftigen Regulierung der Migration, bei der die SPD Federn lassen musste, liest sich der Koalitionsvertrag so, als hätten Union und Sozialdemokraten die Rollen vertauscht: Die Partei, die bei den Wahlen im September mit Abstand die meisten Stimmen (33 Prozent) erhielt, musste sich vom Juniorpartner SPD (20,5 Prozent) die Bedingungen der Groko-Fortsetzung diktieren lassen. Das ist der Preis für Merkels vierte Amtszeit.

Wirtschaftsorientierung? Solides Haushalten? Leistungsanreize? Freiheit? Eigenverantwortung? Alles geschliffen. Die ursprünglichen Werte der Union sind im Koalitionsvertrag nur noch in homöopathischen Dosen enthalten. Stattdessen atmet das Papier sozialdemokratische Programmatik: sozialer Ausgleich, Umverteilung, Paternalismus. Und nirgends wird die Schrumpfung der Union deutlicher als in der Besetzung der Ministerien. Neben den Schlüsselressorts Außenpolitik sowie Arbeit und Soziales, welche schon bislang von SPD-Politikern geführt wurden, rangen die Sozialdemokraten Merkel auch das Finanzressort ab. Das ist das eigentliche Super-Ministerium. Nicht von ungefähr meinte man Wolfgang Schäuble, wenn vom Nebenkanzler die Rede war. Damit ist dem glücklosen und geprügelten Parteichef Martin Schulz ein Coup gelungen. Offenbar ist er auch bereit, den Parteivorsitz zu opfern – ein Zugeständnis an die Basis, die über die Fortsetzung der Koalition nun abstimmen wird. Viele Gründe, dagegen zu votieren, dürfte es aus sozialdemokratischer Sicht eigentlich nicht geben.
Es sei denn, man sehnt sich nach frischem Personal, Erneuerung und Aufbruchstimmung. Die Koalitionsvereinbarung trägt unverkennbar die Handschrift von Figuren, die bei den Bundestagswahlen schwere Niederlagen einstecken mussten und vom Wähler abgestraft wurden. Merkel und Schulz kämpfen um ihr politisches Überleben. Sie sind auf Machterhalt gepolt, nicht auf Gestaltung. Das ist der Grund, warum viele Dinge im GroKo-Papier eine Rolle spielen, nur die Zukunft nicht.