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EZ-Chefredakteur Gerd Schneider über Italien und die EU

EsslingenIst die europäische Idee am Ende? Seit langem warnen Ökonomen vor einem Risiko, gegen das sich die einstige Schuldenkrise Griechenlands als kleines Problem ausnimmt. Mit Italien geht es seit mindestens zehn Jahren bergab. Die Infrastruktur verrottet, und die Jugend findet keine Arbeit. Der aufgeblähte Staatsapparat lähmt das ganze Land. Der wirtschaftliche Aufschwung der vergangenen Jahre in der Euro-Zone ging an Italien komplett vorbei. Die Populisten aber, die jetzt in Rom an der Macht sind, ignorieren die Wirklichkeit. Sie reden den Leuten ein, dass die EU an allem schuld sei, und wollen die exorbitante Staatsverschuldung mit neuen Schulden bekämpfen. Das ist so, als würde man man eine Feuersbrunst mit TNT löschen. Selbst vernunftbegabte Menschen sehnen sich da fast schon nach einem Berlusconi zurück.

Die EU wurde einst in der Überzeugung errichtet, dass sich alle Mitgliedsländer einer übergreifenden Idee verpflichtet fühlen, ein Grundkonsens als unsichtbares Band. An Mittel, um Spalter und Sektierer vom Schlag eines Salvini abzuwehren, dachten die Gründer nicht. Auch Haushaltssündern steht die Union wehrlos gegenüber. Verstöße gegen die Defizitregeln nahm man in Brüssel immer wohlwollend hin, was viele Länder – darunter Deutschland – dazu einlud, die Regeln nicht allzu ernst zu nehmen. Besonders schamlos nutzte Italien die Großzügigkeit der Europäischen Kommission aus. Mit keinem anderen Staat in Europa war Brüssel so nachsichtig. Doch jetzt spitzt sich die Lage mit dem Konflikt um den italienischen Haushalt dramatisch zu. Wenn nicht alles täuscht, steuert Europa auf eine Finanzkrise von existenziellen Ausmaßen zu. Italien lässt sich nicht herauspauken wie Griechenland. Es ist zu groß, um es retten zu können. Genauso wenig kann man es verstoßen, das ist im Regelwerk nicht vorgesehen. Ein Austritt Italiens aus der Währungsunion würde die EU wohl zerreißen. Die einzige Hoffnung ist, dass der oft geschmähte „Markt“ Italiens Regierung wieder auf Kurs bringt. Sollten die Ratingagenturen italienische Anleihen als Ramsch deklarieren, schießen die Zinsen für neue Schulden in die Höhe. Dann drohen dem Land Chaos und Verarmung. Doch es ist eine vage Hoffnung, dass die Populisten in Rom zur Vernunft kommen. Es wäre eine völlige Abkehr von der Agenda, die sie an die Spitze der Regierung gebracht hat. Ihre Maxime ist nicht Konstruktion, sondern Konfusion.