Von Wolfgang Molitor

Der Kluge bemüht sich, alles richtig zu machen. Der Weise bemüht sich, so wenig wie möglich falsch zu machen. So lautet ein türkisches Sprichwort. Die Bundesregierung hat bisher versucht, den Provokationen des türkischen Präsidenten Erdogan mit einer Mischung aus Klug- und Weisheit zu begegnen. Dass Außenminister Sigmar Gabriel jetzt demonstrativ seinen Urlaub unterbricht und erzürnt Ankaras Botschafter einbestellt hat, um ihm in einem Ton an der Grenze zum diplomatischen Affront die Leviten zu lesen, lässt aber vermuten: In Berlin reißt nach der willkürlichen Inhaftierung des deutschen Menschenrechtlers Peter Steudtner der Geduldsfaden.

Erdogan hat unter dem Vorwurf der Terrornähe bisher 22 deutsche Staatsbürger verhaften lassen, um die Bundesregierung mit krimineller Energie zu Auslieferungen angeblicher Putsch-Hintermänner zu drängen. Neun davon sitzen im Gefängnis. Der Bundesaußenminister hat nun den letzten Warnschuss abgegeben. Der nächste Schuss muss treffen.

Sollte sich in Ankara nicht doch noch politische Besonnenheit zeigen, wird man um spürbare Gegenmaßnahmen nicht umhinkommen. An schnelle Entspannung glaubt niemand. Die Lage bleibt verfahren. Auch dafür haben die Türken ein Sprichwort: Wirft ein Narr einen Stein in den Brunnen, schaffen es 100 Intelligente nicht, ihn herauszuholen.