Von Tobias Schmidt

Nato, Nahost-Konflikt, Russland und Ukraine: Mit atemraubendem Tempo mischt die neue US-Regierung von Präsident Donald Trump die internationale Sicherheits- und Außenpolitik auf. Täglich werden neue Drohungen und Forderungen abgefeuert, neue Initiativen gestartet. Die Europäer verharren in Passivität, blicken wie das Kaninchen auf die Schlange, wirken überrumpelt. Dabei war einiges davon abzusehen. Das gilt insbesondere für den Erpressungsversuch, mit dem US-Verteidigungsminister James Mattis die Nato-Bündnispartner brüskierte, indem er sie ultimativ zu höheren Rüstungsaufgaben aufforderte.

Seit Jahren ist klar, dass Europa mehr Verantwortung übernehmen muss. Jetzt rächt sich, dass so gut wie nichts geschehen ist, von der symbolischen Stationierung einiger Truppen auf dem Baltikum abgesehen. Ein Kuschen vor Mattis und Trump, ein hektisches Aufstocken der Wehretats, macht dabei keinen Sinn und stößt in der deutschen Bevölkerung auf Widerstand. Längst überfällig ist hingegen eine echte europäische Sicherheitsarchitektur mit geteilten Aufgaben und Beschaffungen. Wenn Trumps Druck helfen würde, die Kleinstaaterei zu überwinden, wäre viel gewonnen. Gefasst machen müssen sich Berlin, Paris und Co. auf einen engeren Schulterschluss zwischen Washington und Moskau, allen Irritationen der vergangenen Tage zum Trotz.

Mit Blick auf den Ukraine-Konflikt kann eine Einschaltung der USA durchaus sinnvoll sein, wenn Trump Putin die Sorge nehmen würde, das Land stehe schon mit einem Bein in der Nato. Trumps Abschied von einer Zweistaatenlösung in Nahost, der Versuch, ein arabisch-israelisches Bündnis gegen den Iran auf die Beine zu stellen, könnte eine neue Stufe der Eskalation in der Region entfachen. Klar ist: Die internationale Sicherheitsarchitektur steht vor einer Zäsur. Und wenn die Europäer jetzt nicht wirklich zusammenstehen und mit einer Stimme sprechen, droht ihnen ein Platz auf der Zuschauertribüne.