Von Klaus Köster

Vier von fünf Premiumfahrzeugen, die in aller Welt verkauft werden, kommen aus Deutschland. Dazu trägt neben deutscher Ingenieurskunst auch der harte Wettbewerb bei. So scheint es jedenfalls: Die starke deutsche Marktposition habe auch damit zu tun, dass „wir uns jeden Tag als Nachbarn auf den Füßen stehen“, sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche. Die jüngsten Enthüllungen, wonach die deutschen Hersteller Daimler, BMW, Volkswagen, Audi und Porsche sich rund 20 Jahre lang abgestimmt haben, werfen jedoch die Frage auf, ob die deutschen Autobauer wirklich so harte Rivalen sind wie sie glauben machen. Ist der Konkurrenzkampf etwa nur eine Inszenierung?

Die Selbstanzeige, die Volkswagen bei den Kartellbehörden eingereicht haben soll, zeichnet jedenfalls ein anderes Bild: Demnach haben die Firmen den Wettbewerb gezielt ausgehebelt - vom Cabriodach bis zum Umweltschutz. Wenn das stimmt, haben die Hersteller sich nicht nur gegen ihre Kunden, sondern auch gegen Dritte verbündet: Gegen die Menschen, die die Abgase einatmen müssen.

Würde ein einzelner Hersteller hier tricksen, wäre er das schwarze Schaf. Durch die mögliche Zusammenarbeit bekommen die Verstöße aber eine neue Qualität: Die Branche weicht die Abgasvorschriften auf, indem sie diese geschlossen missachtet. Die Schafherde färbt sich schwarz ein und behauptet, weiße Exemplare habe es nie gegeben. Das könnte erklären, dass die Industrie riesige Löcher in die Abgasvorschriften bohrte. Die Abweichung wurde zur Normalität.

Diese Schlupflöcher werden zu Recht als Indiz für eine Unterwanderung der Politik durch die Autolobby herangezogen. Weit weniger wird in der Debatte aber über den Einfluss der Umweltlobby gesprochen, bei der der selbstlose Einsatz für die Natur und die Bekämpfung der Autoindustrie als Motive zuweilen schwer voneinander zu unterscheiden sind. Klar ist aber, dass auch die Umweltlobby Einfluss ausübt: Lag der Stickoxid-Grenzwert für Dieselfahrzeuge 2004 bei 500 Milligramm pro Kilometer, beträgt er heute nur noch 80. Das Limit für die Feinstaub-Partikelmasse sank sogar um über 90 Prozent. Das kam nicht auf Druck der Autolobby.

Wie stark der Einfluss von Umweltverbänden ist, zeigt sich auch daran, dass die Umgehung der Vorgaben durch die Autobauer zu Recht auf scharfe Kritik stößt, die in Brüssel verordneten Grenzwerte selbst aber fast wie eine himmlische Fügung aufgenommen werden. Warum liegt der Grenzwert für die Belastung der Stuttgarter Luft bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter und nicht bei 35, 45 oder 400? Warum darf der Messwert im Jahr genau 18 Mal für genau eine Stunde auf genau 200 Mikrogramm steigen? Die gleiche EU, der Kungelei mit der Autobranche vorgeworfen wird, mutiert zum Säulenheiligen, sobald sie ihre Schadstoff-Grenzwerte festlegt.

Sehr viel wichtiger als immer schärfere Grenzwerte, hinter denen oft, aber längst nicht immer edle Motive stehen, ist die Durchsetzung der Idee, dass Autos künftig nicht mehr an dem gemessen werden, was sie auf dem Prüfstand ausstoßen, sondern an der täglichen Realität. Je besser das gelingt, desto eher kommen die Milliarden, die die Hersteller in saubere Autos investieren, der atmenden Bevölkerung zugute. Zu einer redlichen Debatte gehört aber auch die Erkenntnis, dass immer dort, wo Menschen aufeinandertreffen, mit Emissionen zu rechnen ist. Der Mensch atmet, das Verbrennungsauto produziert Abgase, und die S-Bahn macht Lärm. Eine Welt ganz ohne Emissionen wird es nie geben und sollte auch nicht angestrebt werden.