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Die fetten Jahre der Sozialdemokratie sind vorbei. Doch Rumheulen ist keine Option, Mimimi keine Lösung. Die Sozis müssen weitermachen – und professioneller werden.

Esslingen/BerlinZur SPD ist alles gesagt. Über sie muss man nicht mehr reden. Die Sozialdemokratie ist tot. Das ist nach der Bayern-Wahl nun oft zu hören oder zu lesen. Doch der Niedergang der einstigen Volkspartei ist ein Thema, über das wir weiter reden müssen. Freilich ist dieser Prozess aus anderen europäischen Ländern hinlänglich bekannt. Einfach hinnehmen sollten wir das als politisch interessierte Bürgerinnen und Bürger jedoch nicht.

Denn die Sozialdemokratie muss am Leben bleiben für ein stabiles Deutschland. Sie muss als große politische Ader ihre Gerechtigkeits-DNA durch die Republik spülen, bis in die kleinsten dörflichen Verästelungen hinein. Sonst fehlt ein wichtiger Impulsgeber und Interessenvertreter der Arbeiterschaft, sonst finden neben den Wählern der Grünen und der Linken zu wenige Gering- und Mittelverdiener ihre politische Heimat links der Mitte, ziehen sich möglicherweise sogar vom Urnengang zurück – und das wichtige Gleichgewicht zwischen Links und Rechts droht aus den Fugen zu geraten. Nur damit aber funktioniert die Gesellschaft. Pulsiert das Land. Entsteht Erfolg. Bleibt Wohlstand.

Alles wird zu Mist

Die Gretchenfrage aber lautet: Wie kann der SPD wieder Leben eingehaucht werden? Alles, was die Sozialdemokraten derzeit anfassen, wird zu Mist. Einiges davon ist selbst verschuldet, das ist klar. Die Verantwortlichen haben Fehler gemacht. Die Performance wirkt bisweilen unprofessionell. Auch die strikte Ablehnung einer Kooperation mit der linken Sammlungsbewegung „Aufstehen“ war nicht gewinnbringend, wenn man in Deutschland einen zu großen Gewichtsverlust der linken Waagschale vermeiden will.

Doch zur ausgewogenen Analyse gehören auch die Fehler der anderen, in deren Schatten die Sozialdemokraten ebenfalls abgestraft wurden: der Dauerzwist in der Union, zum Beispiel, oder die Fehde zwischen den bayerischen Alphamännern Horst Seehofer und Markus Söder. Das hat auch die SPD Wählerstimmen gekostet – und, so ehrlich muss man sein, das ist in dem aktuellen Ausmaß nicht gerechtfertigt.

Rumheulen ist aber keine Option, Mimimi genauso keine Lösung wie die Flucht aus der Verantwortung. Ein Raus aus der GroKo wäre ein rückgratloser Zick-Zack-Kurs. Ein erneuter Personalwechsel an der Spitze macht ebenfalls keinen Sinn, das wäre nach so kurzer Zeit schlicht nicht mit sozialdemokratischen Werten vereinbar, daher unglaubwürdig und hysteriegetrieben.

Bereits auf den Weg gemacht

Das klingt nach einem Weiter so, und das ist ein Weiter so. Die Sozis müssen hinnehmen, dass ihre fetten Jahre erst einmal vorbei sind, sie müssen die Häme darüber ertragen, sie müssen sich auf sich selbst konzentrieren. Dann können sie mit einem klaren, überzeugenden, professionellen Konzept wieder auf die linke Spur der politischen Autobahn zurückkehren. Und dann müssen auch wieder alle über die SPD reden.

Das Gute aus Sicht der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist: Die Bundespartei hat sich ja schon auf den Weg gemacht. Die intensive Einbindung der Mitglieder ist gelebte Demokratie, die Mitsprache 4.0 mit den vielen Online-Debattencamps vorwärtsgewandt. Allein es fehlt der Nährboden. Noch.