Von Rasmus Buchsteiner

Es geht ein großer Präsident. Joachim Gauck hat dem höchsten Staatsamt nach den Rücktritten seiner beiden Vorgänger Horst Köhler und Christian Wulff Ansehen und Würde zurückgegeben. Pfarrer, Alltagsphilosoph, Freidenker, DDR-Bürgerrechtler - Gauck musste sich in Schloss Bellevue neu erfinden und dabei erst lernen, sich nicht zu allem und jedem zu äußern. Er widerstand auch der Verlockung, sich als Bürgerpräsident durch größtmögliche Distanz zu den Akteuren in Bundesregierung und Bundestag zu profilieren, als Sprachrohr der Wutbürger und Verdrossenen. Stattdessen warb Gauck bemerkenswert oft um Verständnis für die Komplexität des politischen Prozesses und die Zwänge der Handelnden, stellte sich gegen Populismus von rechts. Es ist sein großes Verdienst, den Wert der Freiheit wieder stärker im Bewusstsein der Nation verankert zu haben. Mit seinem Ruf nach einer stärkeren sicherheitspolitischen Rolle Deutschlands in der Welt hat Gauck eine wichtige Debatte angestoßen. Und er lag auch richtig, als er in der Flüchtlingskrise nicht nur von einem weiten Herzen sprach, sondern auch von begrenzten Möglichkeiten. Gauck war ein Meister des öffentlich gesprochenen Wortes und wird deshalb fehlen. Mag man ihn 2016 auch gedrängt haben, trotz gesundheitlicher Bedenken weiterzumachen: Die Übergabe an Frank-Walter Steinmeier, die jetzt in Schloss Bellevue vollzogen wird, bietet Chancen auf neue Perspektiven, neue Gedanken und neue Themen.