Berichteten über das große Doppeljubiläum im kommenden Jahr: Brauchtumsexperte Wulf Wager, Wasenbürgermeister Michael Föll, Alexandra Süß (Mercedes-Benz-Museum), Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch, Peter Kolb (Landesbauernverband) und in.Stuttgart-Geschäftsführer Andreas Kroll (von links). Foto: Rehberger Quelle: Unbekannt

Von Edgar Rehberger

Bad Cannstatt - Das ganz besondere Jubiläum wird auch ganz besonders gewürdigt. 200 Jahre Cannstatter Volksfest und das 100. Landwirtschaftliche Hauptfest bekommen im kommenden Jahr eine zusätzliche Würdigung mitten in Stuttgart: Auf dem Schlossplatz wird vom 26. September bis 3. Oktober ein Historisches Volksfest aufgebaut.

„Das ist ein herausragendes Ereignis, das es über viele Generationen nicht mehr geben wird“, beschreibt Michael Föll, der Erste Bürgermeister der Stadt und von den Schaustellern zum Wasenbürgermeister gekürt. Mit dem Historischen Volksfest soll die ganze Bandbreite von Volksfest und Landwirtschaftlichem Hauptfest gezeigt werden. Denn es gelte, die Tradition zu pflegen und in Erinnerung zu rufen. „Wir werden zeigen, wie im 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Fest ausgesehen hat.“ Es wird für den Wasenbürgermeister etwas Besonderes sein: „Es ist die Krönung meiner Amtszeit und meines Lebens.“

Das Historische Volksfest findet bewusst auf dem Schlossplatz vor dem Neuen Schloss statt. In seinem Regierungssitz hat König Wilhelm I. den Erlass für das landwirtschafliche Fest unterzeichnet, das am 28. September 1818, einen Tag nach seinem 36. Geburtstag, gefeiert wurde und als Ursprung des Volksfestes gilt. Nach Zeiten wirtschaftlicher Schwäche und Hungersnöte, ausgelöst durch den Vulkanausbruch auf der Insel Sumbawa im heutigen Indonesien 1815 und dem Jahr ohne Sommer 1816 konnte erst 1817 wieder eine Ernte eingefahren werden, was mit einem landwirtschaftlichen Fest ein Jahr später gefeiert wurde. „Württemberg war 1816 das Armenhaus Deutschlands“, sagt Friedlinde Gurr-Hirsch, Staatssekretärin im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. König Wilhelm I. habe die Bedeutung der Landwirtschaft erkannt, die keine Fürsprecher und keine Lobby hatte. Daher sei es wichtig, das 100. Landwirtschaftliche Hauptfest zu feiern. „Denn keine zehn Prozent der Wasenbesucher kennen den Ursprung des Volksfestes.“ Das Königspaar habe damals die soziale Situation der Bevölkerung erkannt und den Wohlstand begründet. „Davon sollte ganz Deutschland Kenntnis haben.“ Das Landwirtschaftliche Hauptfest wird weiterhin eine Fach- und keine Verbrauchermesse sein, ergänzte Peter Kolb, der Hauptgeschäftsführer des Landesbauernverbandes. „Die Landwirte sollen sehen, was es Neues gibt und auch Geschäfte machen können.“ Aber man soll auch mit der städtischen Bevölkerung ins Gespräch kommen, denn diese habe kaum noch einen Bezug zur Landwirtschaft.

Das Historische Volksfest auf dem Schlossplatz stelle eine große Herausforderung dar, betont Andreas Kroll, der Geschäftsführer der in.Stuttgart Veranstaltungsgesellschaft. In den acht Tagen mitten in der Stadt werde sehr viel geboten, könne viel erlebt werden. Aber auch auf dem Wasen werde 200 Jahre Volksfest gezeigt. „Die Veranstaltungen sollen mit- und nicht gegeneinander laufen.“ Und auch voneinander profitieren. „Wir werden sehen, welche Elemente wir von der historischen Veranstaltung ins Volksfest übernehmen können“, ergänzte Wasenbürgermeister Föll. Auch das Mercedes-Benz-Museum beteiligt sich am Doppeljubiläum. Es wird 2018 unter anderem eine Sonderausstellung zur Landwirtschaft mit historischen Nutzfahrzeugen geben, berichtet Museumsleiterin Alexandra Süß.

www. historisches-volksfest.de, www.cannstatter-volksfest.de, www.lwh-stuttgart,de

Historisches Volksfest

(red) - In der Mitte des Schlossplatzes erinnert die Jubiläumssäule, die 1841 zu seinem 25-jährigen Regierungsjubiläum gestiftet wurde, an den Volksfestbegründer Wilhelm I.. Deren Sockel soll nach dem Vorbild der Fruchtsäule, dem Volksfest-Wahrzeichen, festlich und mit vielen landwirtschaftlichen Produkten geschmückt und begehbar werden. Da die Bauern in der Gründungsphase das Fest mit ihren Tieren bereichert haben, werden auch beim Historischen Volksfest auf dem Schlossplatz typische Tierarten Einzug halten. Rund um die Jubiläumssäule rückt eine Ausstellung die prägendsten „100 Exponate der baden-württembergischen Landwirtschaft“ in den Mittelpunkt. Nicht weniger spannend soll die Geschichte des Cannstatter Volksfestes in einem ehemaligen „Karussell-Zelt“ erzählt werden - ergänzt durch eine Video-Präsentation des SWR, der auch eine 90-minütige Dokumentation zum Jubiläum anfertigt. Durch Führungen von Laienspielern, die in traditionsreiche Figuren des Landes schlüpfen und die Besucher mit ihren Erzählungen aus längst vergangenen Tagen überraschen, wird die Geschichte lebendig.

Die beiden von Bäumen umfassten Alleen des Schlossplatzes verwandeln sich in historische Kirmes-Promenaden des 19. und 20. Jahrhunderts. Es entsteht ein Schausteller-Rummel, der die Besucher in die Vergangenheit entführt. Artisten, Gaukler, Quacksalber und Orgelspieler heischen um die Aufmerksamkeit des Publikums und überraschen mit ihrem Witz und ihrer Pantomime, so wie es aus der Historie des 19. Jahrhunderts bekannt war. Beim „Hau den Lukas“ oder in der Schiffschaukel können die Besucher selbst aktiv werden. Ein Handwerkermarkt und ein traditioneller Krämermarkt ergänzen das Unterhaltungsprogramm. Zudem zeigt eine Ausstellung historischer Schaustellerwagen, wie diese damals gelebt haben und wie sie gereist sind. Zum Mitfahren und Mitmachen laden traditionsreiche Fahrgeschäfte ein, die im 20. Jahrhundert auf vielen Rummelplätzen zu sehen waren. Zu den Attraktionen gehören ein altes Riesenrad aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts mit einer Höhe von rund 15 Metern, eine nostalgische Berg- und Talbahn sowie ein Autoskooter aus den 1930er-Jahren. Nicht fehlen dürfen weitere Klassiker wie eine Illusionsschaubude mit Darbietungen wie der „Frau ohne Kopf“ oder der „Dame ohne Unterleib“, ein Flohzirkus, ein Kasperletheater, der berühmte „Vogel Jockel“ mit seinem Plättchen zur Vogelstimmen-Imitation sowie traditionelle Karussells und Kettenflieger. Und natürlich kommen die kulinarischen Gesichtspunkte nicht zu kurz: Eine traditionelle Waffelbäckerei, ein historischer Oberleitungswagen mit Süßwaren, Imbisse mit Getränken und Speisen der jeweiligen Zeit bieten den Gästen alles, was das Herz begehrt.

Was wäre ein solches Jubiläum ohne Festzeltstimmung, kulinarische Leckerbissen und ein Festbier? Auch das gehört zur Tradition des Cannstatter Volksfestes. Es wird ein Festzelt ganz im Stil vergangener Tage aufgebaut, das neben landestypischer Musik und Tänzen auch gastronomisch Überraschungen aus alten Kochbüchern bieten wird. Als Festwirt wurde Marcel Benz gewonnen, der das Landtagsrestaurant Plenum betreibt. Zum Ausschank kommt beim Historischen Volksfest ein ganz besonderer Gerstensaft. Die Familienbrauerei Dinkelacker und Stuttgarter Hofbräu werden gemeinsam ein spezielles Jubiläumsbier brauen und als Stuttgarter Brauereien dem Volksfest auf diese Weise ihre Ehre erweisen. Das Jubiläumsbier wird in speziellen 0,5-Liter-Steinkrügen ausgeschenkt. Der Eintritt zum Historischen Volksfest ist frei und auch die Preise sollen laut Veranstalter volksnah sein. Jeder soll die Möglichkeit zum Besuch haben.