Was halten Sie von Martin Schulz als Bundeskanzler? Foto: Bulgrin

Von Alexander Maier

Wer seine Vita studiert, kann nur staunen, denn Nils Schmid weist mit seinen 44 Jahren bereits eine Karriere vor, auf die mancher Politiker nicht mal am Ende seiner Laufbahn zurückblicken kann. Und wenn es nach Schmid geht, dann hat er politisch noch einiges vor. Bislang war er vor allem in der baden-württembergischen Landespolitik zuhause, doch nun möchte er zu neuen Ufern aufbrechen: Im Wahlkreis Nürtingen bewirbt sich der aktuelle Reutlinger SPD-Landtagsabgeordnete nun um das Bundestagsmandat. Dank eines sechsten Platzes auf der Landesliste seiner Partei dürfte die Wahl für den promovierten Juristen schon jetzt ein „gemähtes Wiesle“ sein. Trotzdem will Nils Schmid bis zum letzten Tag vor der Wahl für ein gutes Ergebnis kämpfen - nicht nur für sich selbst, sondern für die Sozialdemokraten insgesamt. Dass seine Partei derzeit in Umfragen weit hinter den eigenen Erwartungen rangiert, bringt ihn nicht aus der Ruhe, denn er ist überzeugt: „In der SPD steckt unglaubliches Potenzial.“

Unverhofft in der ersten Reihe

Mit 23 Jahren ist Nils Schmid 1997 in den baden-württembergischen Landtag eingezogen. Seine Freude darüber war jedoch getrübt: Schmid war Student und als Zweitkandidat hinter dem Filderstädter SPD-Urgestein Werner Weinmann angetreten. Und alle waren sicher, dass der knorrige Vollblutpolitiker noch eine ganze Weile im Parlament sitzen würde. Umso tiefer hatte alle Weinmanns überraschender Tod getroffen - plötzlich stand Nils Schmid in der ersten Reihe. Der Karrieresprung bedeutete harte Arbeit: Wo sich andere Parlaments-Novizen ganz auf ihre neue Aufgabe konzentrieren konnten, musste er parallel zum Parlament Studium und Promotion vollenden. Doch er hat es geschafft, hat in Partei und Parlament Karriere gemacht und wurde 2011 sogar Vize-Ministerpräsident und Minister für Wirtschaft und Finanzen in der grün-roten Landesregierung.

Selbst die Konkurrenz hat Nils Schmid damals für seine gute Regierungsarbeit Respekt gezollt - zumindest hinter vorgehaltener Hand. Dass die SPD bei der nächsten Wahl ihr schlechtestes Landtagsergebnis einfuhr und in die Opposition geschickt wurde, hat mancher auch dem Spitzenkandidaten angekreidet, der weniger ein Mann der lauten Töne als ein akribischer Arbeiter ist. Schmid machte den Weg für einen Neubeginn in der Landespartei frei und reihte sich als Reutlinger Abgeordneter in die Landtagsfraktion ein. „Das schlechte Wahlergebnis habe ich nicht persönlich genommen“, bekennt er. „Wir haben eine gute Regierungsarbeit abgeliefert und wurden deutlich unter Wert geschlagen. So wie die CDU im Bund derzeit deutlich besser dasteht, als sie es verdient.“

Vielen war klar, dass es das mit Schmids politischer Karriere noch lange nicht gewesen war. Und als der langjährige Nürtinger Bundestagsabgeordnete Rainer Arnold 2017 nicht erneut zur Wahl antrat, griff Schmid zu und bewarb sich um die Bundestagskandidatur im Wahlkreis Nürtingen. Die landespolitische Erfahrung soll ihm in Berlin zugutekommen: „Vieles, womit ich als Minister betraut war, hat ganz unmittelbar mit bundespolitischen Fragen zu tun.“ Dass er vielen wichtigen Kollegen bereits auf Augenhöhe begegnet ist, könnte manches erleichtern: „Den französischen Präsidenten Emmanuel Macron hatte ich schon hier, als er noch Wirtschaftsminister war.“ Die größte Veränderung erwartet Nils Schmid im Privaten: „Als Landtagsabgeordneter konnte ich abends in der Regel nach Hause zur Familie fahren. Das geht während der Sitzungswochen in Berlin nicht mehr.“ Und was sagen Frau und Kinder dazu? „Bevor ich mich um die Kandidatur bemüht habe, haben wir das alles zuhause durchgesprochen“, erzählt Schmid. „Wir wollen das so hinkriegen, dass die Familie gut damit leben kann.“

Die guten Kontakte zur Prominenz seiner Partei helfen Schmid nun auch im Wahlkampf. Dass etwa der Vizekanzler und Außenminister Sigmar Gabriel den Nürtinger Kandidaten und seine Esslinger Kollegin Regina Rapp beim Wahlkampfauftakt mit einem starken Auftritt in Kirchheim unterstützt hat, war alter Verbundenheit zu danken. In solchen Fällen kann Schmid die Bühne großzügig dem Gast überlassen. Er beherrscht die politische Rhetorik, war aber nie ein Showman. Der 44-Jährige fühlt sich viel wohler, wenn er statt markiger Sprüche differenzierte Argumente rüberbringen kann. „Was ich am meisten an meiner Arbeit schätze, ist die Möglichkeit, mit ganz unterschiedlichen Menschen ins Gespräch zu kommen. Wenn man den Leuten zuhört, erfährt man so viel über die unterschiedlichsten Seiten des Lebens und über all das, was die Menschen bewegt. Für mich ist es ein Privileg, die Menschen in der Region, in der ich aufgewachsen bin, vertreten zu dürfen.“

Vertrauen in das Potenzial der SPD

Deshalb will Schmid in den nächsten Wochen richtig Gas geben. Dass der Wahlkampf in die Sommerferien fällt, müsse kein Nachteil sein: „Zumindest nicht für uns Wahlkämpfer. Es macht viel mehr Spaß, bei Sonnenschein am Infostand zu stehen als bei Kälte, Regen und Schnee.“ Dass manche die Sozialdemokraten schon abgeschrieben haben, nimmt er gelassen: „Die SPD hat viel bessere Chancen, als es die Umfragen vermuten lassen. Wichtig ist, dass wir das Potenzial, das in unserer Partei steckt, bis zum Wahltag mobilisieren. Die Leute erwarten von den Sozialdemokraten Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit. Wenn wir die geben können, haben wir durchaus Chancen.“ Dass der politische Erfolg für ihn nicht nur Selbstzweck ist, betont er in seinen Gesprächen mit Bürgern immer wieder: „Ich habe Jura studiert, weil ich an unseren Rechtsstaat glaube. Ich will, dass es gerecht zugeht. Deshalb bin ich Politiker geworden.“

In der Serie Stippvisite begleitet die Redaktion die Kandidatinnen und Kandidaten von CDU, SPD, Grünen, FDP, Linke und AfD während ihres Wahlkampfes, und stellt die Bewerber für die Bundestagswahl am 24. September vor.

Nils Schmid Persönlich

Privates: Nils Schmid wurde 1973 in Trier geboren, aufgewachsen ist er in Filderstadt und Nürtingen. Mit seiner Frau Tülay hat er einen Sohn und eine Tochter. „Das Eigene wertschätzen und das Andere respektieren“ heißt sein Credo. Der Region fühlt er sich eng verbunden: „Wir leben in einer wundervollen Heimat. Die Landschaft und die Menschen sind liebenswert, auch wenn sich für manche deren schwäbischer Charme erst auf den zweiten Blick voll entfaltet.“

Berufliches: Nach dem Abitur am Eduard-Spranger-Gymnasium in Filderstadt hat Schmid von 1994 bis 1999 in Tübingen Jura studiert. Nach den beiden juristischen Staatsexamen wurde er 2006 promoviert.

Politisches: Seit 1991 ist Nils Schmid SPD-Mitglied. Er war Juso-Kreisvorsitzender, saß im SPD-Kreisvorstand, war stellvertretender Juso-Landesvorsitzender, elf Jahre lang Chef des SPD-Ortsvereins Nürtingen und von 2009 bis 2016 Vorsitzender der SPD Baden-Württemberg - nach einem enttäuschenden Wahlergebnis verzichtete er auf sein Amt.

Parlamentarisches: 1997 ist Schmid in den Landtag eingezogen. Dort wurde er 2001 finanzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, 2006 deren stellvertretender Vorsitzender und 2011 schließlich Spitzenkandidat der SPD zur Landtagswahl. Nach der Wahl führte er in der grün-roten Landesregierung die sozialdemokratische Ministerriege als stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Finanzen und Wirtschaft an. Seit 2016 vertritt Schmid den Wahlkreis Reutlingen im Landtag.

Ehrenamtliches: Nils Schmid hat viele Ehrenämter inne. Er ist Vorsitzender des Kuratoriums der Kunststiftung Baden-Württemberg, Vorstandsmitglied im Verein der Freunde und Förderer der Wilhelma sowie Mitglied im Beirat der Akademie Schloss Solitude, im Kuratorium des Deutsch-Türkischen Forums Stuttgart, Gründungsmitglied des Kuratoriums der „Aktion Sterntaler“ in Reutlingen, Mitglied im Verwaltungsrat des Badischen Staatstheaters Karlsruhe und des Stiftungsrats des Zentrums für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe.