Wahlkampf-Höhepunkt am Sonntag liefern sich Herausforderer Martin Schulz und Bundeskanzlerin Angela Merkel ein Duell im Fernsehen. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Elke Hauptmann

Stuttgart - Ein harter Schlagabtausch ist nicht zu erwarten: Das einzige direkte TV-Duell von Bundeskanzlerin Angela Merkel gegen ihren Herausforderer Martin Schulz am kommenden Sonntag dürfte kaum für Überraschungen sorgen. Das ist die Einschätzung von Frank Brettschneider, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Hohenheim.

„Ich vermute, dass das kein richtiger Schlagabtausch wird, sondern eher eine Orientierungshilfe für unentschiedene Wähler“, meint Brettschneider. Natürlich werde Schulz versuchen, Merkel unter Druck zu setzen, räumt der Experte ein. „Aber das wird sehr schwer. Er kann die Politik der Großen Koalition nicht wirklich hart kritisieren, weil seine eigene Partei daran mitgewirkt hat.“ Der SPD-Herausforderer habe somit kaum Ansatzpunkte.

Bereits bei den beiden vorangegangenen Bundestagswahlen 2009 und 2013 hat der Uni-Professor mit seinem Team mit einem sehr aufwendigen Verfahren die Wahrnehmungen und die Wirkungen von TV-Duellen untersucht. Seine Erwartungen in diesem Jahr sind nicht sehr hoch: „Wir wissen, wie sich Angela Merkel in TV-Duellen verhält und auf welche Themen sie setzen wird.“ Auch Herausforderer Martin Schulz sei kein Unbekannter. „Erst 2014 hat er sich mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Junker ein TV-Duell zur Europa-Wahl 2014 geliefert.“

Dennoch verteidigt Brettschneider das Format TV-Duell: Es sei eines der wichtigsten Ereignisse in modernen Medienwahlkämpfen, mit keiner anderen Aktion würden die Spitzenkandidaten um die Position des Regierungschefs so viele Menschen erreichen. Das TV-Duell zur Bundestagswahl vor vier Jahren zum Beispiel verfolgten über alle vier Sender hinweg insgesamt 17,6 Millionen Zuschauer. Und es seien nicht nur politisch Interessierte und Engagierte, sagt Brettschneider. TV-Duelle würden auch von denjenigen Wählern wahrgenommen, die über geringeres politisches Interesse und Wissen verfügen und die sich seltener aus anderen Quellen über Politik informieren. „Oft setzen sie sich erst dadurch zum ersten Mal intensiv mit den unterschiedlichen Positionen der Parteien auseinander.“

Keine andere Plattform biete den Kontrahenten eine solch herausragende Kommunikationschance, weiß der Experte. „Sie können auf diesem Weg Anhänger mobilisieren und Unentschiedene von sich überzeugen.“ Die Untersuchungen hätten gezeigt, dass sich TV-Duelle auf die Einstellungen und unter Umständen auch auf die Wahlabsicht der Wähler auswirken. „Die Wirkung hängt vom Verlauf des Duells und von den Voreinstellungen der Zuschauer ab“, so Brettschneider. „Diejenigen Zuschauer, die parteipolitisch weitgehend festgelegt sind, ändern ihre Meinung aufgrund des TV-Duells in der Regel nicht. Im Gegenteil: Sie nehmen das Geschehen durch ihre parteipolitische Brille wahr und werden in ihren Auffassungen sogar noch bestärkt.“ Die unentschiedenen Wähler hingegen könnten durch TV-Duelle leichter beeinflusst werden. „Sie orientieren sich in erster Linie an der wahrgenommenen Problemlösekompetenz der Kandidaten sowie an deren Führungsstärke und an ihrer Vertrauenswürdigkeit.“

Den Spitzenkandidaten komme als Gesicht und Stimme ihrer Parteien eine besondere Bedeutung bei der Vermittlung von Themen und politischen Positionen zu, erklärt Brettschneider. Doch welche Aussagen wirken am besten? „Allgemeine, wertbezogene Aussagen sowie emotionale Appelle der Debatten-Teilnehmer lösen bei den Zuschauern über die Parteigrenzen hinweg die größte Zustimmung aus“, berichtet der Kommunikationsfachmann. „Das Gleiche gilt für Allgemeinplätze wie ‚Leistung muss sich lohnen‘ oder ‚Bildung darf nicht von der Herkunft abhängen‘.“

Vier Moderatoren in zwei Teams (ARD, ZDF, RTL und Sat.1) werden beim TV-Duell am 3. September, um 20.15 Uhr Kanzlerin Angela Merkel und ihren Herausforderer Martin Schulz in die Zange nehmen. Die vier Fernsehsender rechnen mit 15 bis 20 Millionen Zuschauern.