In einem Wahllokal gibt ein Mann seine Stimme für die Bundestagswahl ab. Foto: Bernd Wüstneck/Archiv Foto: DPA - Bernd Wüstneck/Archiv

Von Melanie Braun

Für die meisten ist es ein kurzer Besuch, wenn sie am 24. September ins Wahllokal gehen: Sie betreten die Wahlkabine, setzen ihre Kreuzchen, werfen den Wahlschein in die Urne und gehen wieder. Nicht so für Ulrike Loll: Sie wird den ganzen Tag über mit der Bundestagswahl zu tun haben. Denn sie ist bei dem Urnengang als Wahlhelferin im Einsatz.

Und das nicht zum ersten Mal. Seit sie 18 ist, ist die 53-Jährige regelmäßig bei Wahlen als Freiwillige aktiv. „Mir macht das richtig Spaß“, sagt sie. Die Hilfe bei den Abstimmungen sei eine schöne Tätigkeit, bei der man mit vielen Leuten zu tun habe: „Das Ehrenamtliche liegt mir.“ Im Übrigen spüre sie eine gewisse Verantwortung: „Ich sehe das auch als meine Bürgerpflicht an“, sagt sie. Denn: „Wenn das keiner mehr macht, ist es auch schlecht.“ Ulrike Loll hat schon bei allen möglichen Wahlen geholfen: Bei Kommunal- und Landtagswahlen, bei Bundestags-, Europa- und OB-Wahlen. Wie viele der Stimmabgaben sie begleitet hat, weiß die Esslingerin nicht genau. Aber es müssten sicher zwei Dutzend sein, schätzt sie – denn bis auf eine Pause von drei oder vier Jahren war sie mehr als 30 Jahre lang bei fast jeder Wahl im Einsatz. Angesichts dieser Erfahrung wurde Loll auch einige Male gefragt, ob sie die Wahlleiterin in einem Wahllokal sein wolle. Sie sagte zu – räumt aber ein, dass das keine entspannte Sache war. „Das war schon aufwendig“, sagt Loll. Zudem habe man eine große Verantwortung. Schließlich müsse man dafür sorgen, dass alles richtig gemacht werde. Am Tag vor der Wahl müsse der Wahlleiter das Wahllokal inspizieren und schauen, dass nichts fehlt – insbesondere muss die Zahl der Wahlzettel mit denen der Wahlberechtigten im Wählerverzeichnis übereinstimmen. „Wenn nachher irgendetwas nicht passt, ist das nicht lustig“, sagt Loll. „Jedem Wahlleiter graust es davor, dass etwas schief geht und die Wahl angefochten werden kann.“

Doch bei der Esslingerin ging bislang alles gut. In der Regel muss die 53-Jährige nur ab und zu eingreifen. Etwa, wenn ein Mann bei seiner Ehefrau in die Wahlkabine schaut, um zu sehen, wie sie wählt – oder wenn die Frau ihren Mann fragt, wen sie wählen soll. Das komme gelegentlich bei Wählern älteren Semesters vor. „Aber das geht nicht, das verletzt das Wahlgeheimnis“, sagt Loll.

Die Esslingerin kennt inzwischen alle Tätigkeiten im Wahllokal: Sie hat schon Wahlzettel ausgegeben, Wähler in der Wahlliste vermerkt und als Wahlleiterin die Urne „bewacht“, wie sie sagt. Denn der Stimmzettel darf erst eingeworfen werden, wenn wirklich alles andere erledigt ist – darauf müssen die Wahlleiter mit Argusaugen schauen. Bei der Bundestagswahl in wenigen Tagen wird Ulrike Loll allerdings kein Wahllokal leiten, sondern als Wahlhelferin im Team des Lokals in der Seewiesenschule mit anpacken. Sie ist schon ganz gespannt darauf, denn in diesem Wahllokal tritt am Sonntag ein neues Helferteam an. Zuvor war Loll viele Jahre lang als Wahlhelferin im Pflegeheim Kennenburg. „Da waren wir lange Zeit immer das gleiche Team“, erzählt sie. „Das war toll, man hat sich richtig gefreut, sich wieder zu sehen.“ Inzwischen sei die Arbeit im Wahllokal auch um einiges einfacher als früher. Denn früher habe man alle Ergebnisse per Hand in Listen eintragen und dann die Endergebnisse berechnen müssen – jetzt werde das mit dem Computer erledigt. Die Stimmen auszählen müssen die Wahlhelfer aber nach wie vor selbst. Den Tag über sind pro Wahllokal sechs Unterstützer in zwei Schichten von je fünf Stunden eingeteilt. Es müssen immer drei Personen gleichzeitig arbeiten: „Wenn jemand auf Toilette muss, müssen ja noch mindestens zwei da sein“, sagt Loll. Nur so gebe es die Kontrolle, dass niemand sich unbeobachtet an Stimmzetteln oder Urnen zu schaffen machen kann.

Ab 18 Uhr sind dann alle Kräfte gefragt. „Dann wird es immer spannend“, sagt Loll. Denn kurz nach der Schließung des Wahllokals werden die Stimmen zunächst im Schnellverfahren durchgezählt, um eine erste Wasserstandsmeldung ans Rathaus weiter zu geben. Anschließend zähle man die Stimmen noch einmal gründlich für das endgültige Ergebnis. Dieses muss der Wahlleiter dann festhalten und im Rathaus einreichen.

Bei der Stadtverwaltung ist man froh über Leute wie Ulrike Loll. Denn in Esslingen werden für die Bundestagswahl 438 Wahlhelfer gebraucht: „So viele melden sich nicht kurz vor der Wahl als freiwillige Helfer“, sagt Matthias Paul vom städtischen Wahlamt. Es gebe zwar immer einige Dutzend spontane Freiwillige, aber die meisten Unterstützer hätten schon einmal geholfen und seien dann auf einer Liste vermerkt worden. Die Leute aus diesem Pool würden vor Wahlen stets gefragt, ob sie wieder helfen wollen – und oft sei das der Fall. „Manche rufen auch extra nochmal an, um zu sagen, dass sie auf der Liste bleiben wollen“, erzählt Paul. Jemanden, der partout nicht wolle, zur Hilfe zu verpflichten sei hingegen nicht üblich.

Unterstützung aus der Bürgerschaft

Bundestagswahl: Nach einer Schätzung des Statistischen Bundesamtes werden bei der Bundestagswahl am Sonntag, 24. September, bundesweit etwa 61,5 Millionen Deutsche wahlberechtigt sein – davon 31,7 Millionen Frauen und 29,8 Millionen Männer. Damit ist die Zahl der Wahlberechtigten laut dem Bundeswahlleiter voraussichtlich etwas geringer als bei der letzten Bundestagswahl im Jahr 2013. Damals waren rund 61,9 Millionen Personen wahlberechtigt. Im Wahlkreis Esslingen sind am Sonntag nach Angaben des Statistischen Landesamts rund 168 000 Bürger wahlberechtigt, im Wahlkreis Nürtingen etwa 207 000 Personen.

Organisation: Bundesweit werden am Sonntag laut dem Bundeswahlleiter rund 650 000 Wahlhelferinnen und Wahlhelfer in etwa 73 500 Urnen- und 14 500 Briefwahlbezirken im Einsatz sein. Die Wahlbezirke sollen von den Gemeinden so eingeteilt werden, dass sie für die Wählerinnen und Wähler möglichst gut zu erreichen sind. In jedem Wahllokal und für jeden Briefwahlbezirk gibt es einen Wahlvorstand, der sich aus einem Wahlvorsteher, einem Stellvertreter und drei bis sieben Beisitzern zusammensetzt – manche Großstädte brauchen am Wahltag bis zu 10 000 Wahlhelfer. Der Wahlvorstand organisiert und überwacht die Wahl und erklärt den Bürgern bei Bedarf die Formalitäten. Er zählt nach der Schließung des Wahllokals die Stimmen aus und meldet das Ergebnis an die Kommune, die dieses an die Kreiswahlleitung weiterleitet. Diese ermittelt aus den Schnellmeldungen das vorläufige Wahlergebnis für den Wahlkreis und teilt ihr Ergebnis der Landeswahlleitung mit – die wiederum die eingehenden Wahlergebnisse sofort und laufend dem Bundeswahlleiter weitergibt, der daraus das vorläufige Wahlergebnis für ganz Deutschland ermittelt.

Esslingen: Für die Bundestagswahl am Sonntag werden in der Stadt Esslingen insgesamt 438 ehrenamtliche Wahlhelfer in 73 Wahlbezirken benötigt. Wahlberechtigt sind in der ehemaligen Reichsstadt rund 60 000 Bürger. Von den 73 Wahlbezirken sind 60 allgemeine Wahlbezirke mit einem Wahllokal, in dem die Esslingerinnen und Esslinger am Sonntag ihre Stimme abgeben können. Hinzu kommen die 13 Briefwahlbezirke in der Stadt. Die Stadtverwaltung beruft sowohl eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch andere Bürger als Wahlhelfer. Zahlreiche Helfer unterstützen die Stadt schon seit Jahren bei den verschiedenen Wahlen. Aber immer wieder melden sich laut der städtischen Wahlleiterin Gabriele Vogel auch neue Freiwillige. Für die Bundestagswahl am Sonntag habe man bereits alle Teams aufgestellt. Aber man freue sich dennoch, wenn weitere Bürger sich für künftige Wahlen als Helfer zur Verfügung stellen. In der Regel brauche man bei den Kommunalwahlen am meisten Unterstützung. Deshalb werde vor diesen Urnengängen oft ein offizieller Aufruf gestartet, dass Freiwillige gesucht werden. Wer künftig Wahlhelfer sein will, kann sich schriftlich im Rathaus melden oder per E-Mail an wahlamt@esslingen.de.

Verpflichtung: Nach dem Bundeswahlgesetz ist es auch möglich, Bürgerinnen und Bürger als Wahlhelfer bei einer Stimmabgabe zu verpflichten. Diese können dann nur aus wichtigen Gründen wie etwa Krankheit, Sorge für Angehörige oder dringende berufliche Gründe ablehnen. Aber auch einige andere Erklärungen akzeptiere die Stadt, etwa die einer Wahlhelferin, die am Sonntag heirate, oder eines Wahlhelfers, dessen Patenkind am Wahltag getauft werde.