Quelle: Unbekannt

Von Teresa Dapp und Basil Wegener

Berlin - Selbst Bundestagspräsident Norbert Lammert war die gewaltige Übermacht von Union und SPD im Parlament nicht geheuer. Der CDU-Politiker schlug wenige Monate nach der Bundestagswahl 2013 vor, die Oppositionsrechte zu stärken. Schließlich räumte der Bundestag Linken und Grünen Sonderrechte ein und gewährte Extra-Redezeit. 503 Abgeordnete von Union und SPD, 127 von Linken und Grünen - dieses ungleiche Verhältnis prägte die vergangenen vier Jahre trotzdem.

„Diese Große Koalition hat dem Parlament nicht gut getan“, bilanziert die Grünen-Fraktionsmanagerin Britta Haßelmann. „Sie hat vier Jahre kaum Interesse an Aufklärung und öffentlicher Auseinandersetzung gezeigt.“ Ihre Linke-Kollegin Petra Sitte findet, CDU/CSU und SPD hätten widerlegt, dass große Koalitionen gut für das Land seien, weil sie schnell Kompromisse schließen könnten. „Meist rangen sie sich nur auf Minimalkompromisse durch.“

Allein die Redezeit: Je nach Debattenlänge sprachen Abgeordnete der beiden Regierungsfraktionen bis zu dreimal so lang im Plenum wie diejenigen von Linken und Grünen - trotz der Zugeständnisse. Regelmäßig reihten sich also nach den Hauptrednern zahlreiche Debattenbeiträge wenig bekannter Abgeordneter von Union und SPD aneinander, ohne dass neue Argumente zu hören waren.

Auch bei der Gesetzgebung sieht die Opposition Mängel. Wichtige Entschlüsse seien im „Hauruckverfahren durchgezogen“ worden, kritisiert Haßelmann. „Ergebnis solcher Schnellschüsse waren zu wenig Zeit für intensive Beratung wichtiger Fragen und mangelhafte Gesetze.“ Beim Erneuerbaren-Energien-Gesetz etwa ging es schnell.

Unzufrieden ist die Opposition auch mit den Antworten auf ihre kleinen Anfragen, ein wichtiges Instrument, um Nachrichten im eigenen Sinne zu produzieren. Die seien oft zu spät und manchmal gar nicht gekommen. Seit 2014 führte die Grünen-Bundestagsfraktion deshalb mit Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) Beschwerdeverfahren beim Bundestagspräsidenten.

Lammert rügte Dobrindt deswegen öffentlich im Parlament: „Ihre Ankündigung, die bisherige Praxis genauso fortzusetzen, würde ein Problem nicht nur mit der betroffenen Fraktion auslösen.“ Zur schärfsten Waffe der Opposition wurden Untersuchungsausschüsse. Es gab gleich fünf - ein Rekord. NSA und Spionage, Edathy und Kinderpornografie, NSU und rechte Szene, Cum-Ex-Aktiendeals und Milliardenverluste, VW und der Abgas-Skandal - es herrschte viel Aufklärungsbedarf.

Immer wieder konnten Linke und Grüne in den Ausschüssen die beiden „Großen“ vorführen. Normalerweise sind für ihre Einberufung eines Untersuchungsgremiums mindestens 25 Prozent der Abgeordneten nötig. Da Linke und Grüne zusammen aber nur 20 Prozent stellten, gewährte das Parlament eine Ausnahme-Erlaubnis. Die Strategie der Opposition dabei war laut Sitte oft: „Über Bande spielen.“ Neben der Aufklärung im Parlament suchten die Oppositionsvertreter die Öffentlichkeit. Was sie als Missstände ansahen, sollte möglichst viel Aufmerksamkeit erregen.

Doch die Untersuchungsausschüsse brachten die kleinen Fraktionen auch an Grenzen. „Sie binden unheimlich viel Kraft“, sagt Sitte. In den Untersuchungsausschüssen zogen Linke und Grüne oft an einem Strang. In Reden und Abstimmungen zeigte die Linke sich aber oft kritischer und manchmal radikaler.

Um gegen die „Großen“ anzukommen, zogen beide Fraktionen sogar vors Bundesverfassungsgericht - und scheiterten. Die Linke mit dem Ruf nach einer Grundgesetzänderung, sie wollte ein Gesetz in einem Normenkontrollverfahren überprüfen lassen können.

Die Grünen mit der Forderung, dass der Bundestag über die Ehe für alle abstimmen solle. Das geschah dann - etwas holterdiepolter - kurz vor der Sommerpause doch noch, nachdem Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Frage der Ehe von Schwulen und Lesben zu einer Gewissensentscheidung erklärt hatte.

Im Wahlkampf werben beide Parteien jetzt für das Ende der Großen Koalition. Die Grünen betonen, dass sie an der nächsten Regierung beteiligt sein wollen. Die Linke sagt das nicht ganz so nachdrücklich - nochmal „Groko“ will sie trotzdem nicht. „Sonst wird der Bundestag nicht zum Schaufenster der parlamentarischen Demokratie“, warnt Sitte. Union und SPD seien ohnehin seit langem auf Mitte-Kurs. Für die Wähler würden inhaltliche Unterschiede zunehmend in einem großen Politbrei verschwimmen.