Reichstagsgebäude in Berlin. Foto: Thalia Engel/Illustration Foto: DPA - Thalia Engel/Illustration

Von Harald Flößer

Seit vielen Jahren ist der Wahlkreis Nürtingen fest in CDU-Hand. Daran dürfte sich auch nach dem 24. September nichts ändern. Denn Michael Hennrich hat gute Chancen, bei der Bundestagswahl sein Direktmandat abermals zu verteidigen. 2002 war der Jurist aus Kirchheim als Nachfolger des Abgeordneten Elmar Müller erstmals für die CDU in den Bundestag eingezogen. Vor vier Jahren holte er sich den Sieg mit großem Abstand vor Rainer Arnold (SPD), der über die Liste ebenfalls in den Bundestag einzog. Hennrich kam damals auf 51 Prozent der Stimmen.

In der CDU-Fraktion hat sich der 52-Jährige zu einem Experten für Gesundheitspolitik entwickelt. Hennrich ist seit Beginn seiner Tätigkeit in Berlin Mitglied im Gesundheitsausschuss sowie stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz. Darüber hinaus fungiert er als Vorsitzender der Parlamentariergruppe der arabischsprachigen Staaten des Nahen Ostens.

Die politische Bühne verlassen wird der Sozialdemokrat Rainer Arnold. Der 67-Jährige, der viele Jahre als verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion fungierte hatte, wird aus Altersgründen nicht mehr kandidieren. An Arnolds Stelle bewirbt sich Nils Schmid um das Direktmandat. Nach dem Scheitern der SPD bei der Landtagswahl, bei der sie ihre Regierungsbeteiligung verloren hatte, sieht der frühere baden-württembergische Wirtschafts und Finanzminister seine Zukunft in der Bundespolitik.

Dass Schmid seinem Kontrahenten Michael Hennrich das Direktmandat abnimmt, ist eher unwahrscheinlich. Doch hat der 43-jährige Jurist, der in Nürtingen aufgewachsen ist, mit Platz 6 auf der Landesliste sehr gute Chancen, über die Zweitstimmen für die SPD in den Bundestag einzuziehen. Kann Matthias Gastel von den Grünen sein Mandat verteidigen? 2013, damals mit Listenplatz 10 ausgestattet, war der 46 Jahre alte Filderstädter gerade noch in den Deutschen Bundestag hineingerutscht. Möglicherweise gibt es für den bahnpolitischen Sprecher der Grünen, der sich wiederum auf dem 10. Platz der Landesliste befindet, eine ähnliche Zitterpartie wie 2013. Wenn die Grünen tatsächlich auf acht Prozent der Stimmen kommen, wie es aktuelle Umfragen vorhersagen, sollte es für Gastel erneut reichen. Möglicherweise schafft auch die Freie Demokratin den Sprung in den Bundestag. Vor vier Jahren hatte Renata Alt ein Bundestagsmandat noch verpasst. Doch weil damit zu rechnen ist, dass die FDP in den Bundestag zurückkehrt, hat die 51-jährige Diplom-Ingenieurin mit Listenplatz 7 diesmal durchaus Chancen. Ohne Chance sind die drei übrigen Kandidaten: Vera Kosova (35), eine Kardiologin aus Leinfelden-Echterdingen, die für die AfD antritt, der kaufmännische Angestellte Heinrich Brinker (60), der sich für die Linken bewirbt, und der 61-jährige Fließbandarbeiter Joachim Bauerle, den die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) als Kandidaten aufbietet.

Mit der Zweitstimme kann man im Wahlkreis Nürtingen wählen: Piratenpartei Deutschland; Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD); Tierschutzpartei; Freie Wähler; Ökologisch Demokratische Partei (ÖDP); Tierschutzallianz; Bündnis Grundeinkommen (BGE); Demokratie in Bewegung (DiB); Deutsche Kommunistische Partei (DKP); Deutsche Mitte (DM); Die Rechte; Menschliche Welt; Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (Die PARTEI) und außerdem die V-Partei3–Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer.

Michael Hennrich wurde 1965 in Balingen geboren. Nach dem Abitur absolvierte er ein Studium der Rechtswissenschaften in Passau und Bonn. Mit seiner Frau und den beiden Söhnen lebt der CDU-Politiker in Kirchheim. Seit 2002 gehört Hennrich dem Deutschen Bundestag an.

„Sicherheit ist die Voraussetzung dafür, dass wir gut leben können“, sagt Hennrich. Deswegen setze er auf „einen starken Staat, der verlässlich für den Schutz der Bürger sorgt“. Eine weiteres politisches Bekenntnis des 52-Jährigen: „Eine starke Wirtschaft sorgt für gute Arbeit.“ Er sei gegen Steuererhöhungen, dafür müsse es steuerliche Entlastungen für alle geben. Außerdem lehnt er eine Verschärfung der Erbschaftssteuer ab, genauso wie eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Deutschland solle ein Land mit hervorragender Infrastruktur werden.

Nils Schmid kam 1973 in Trier zur Welt, aufgewachsen ist er in Filderstadt und Nürtingen. Von 1994 bis 1999 studierte er in Tübingen Jura, 2006 wurde er promoviert. Schmid ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seit 1997 ist der SPD-Politiker im baden-württembergischen Landtag, in der grün-roten Landesregierung war er von 2012 bis 2016 Wirtschafts- und Finanzminister. „Wir müssen den Zusammenhalt in Deutschland durch mehr soziale Sicherheit stärken“, lautet eine Grundüberzeugung des 44-Jährigen. Wichtig ist ihm, dass mehr bezahlbarer Wohnraum für alle geschaffen wird. Zudem brauche man leistungsfähige Schienen-, Straßen- und Datennetze. Damit Deutschland ein weltoffenes Land bleibt, benötige man ein Einwanderungsgesetz. Der Zusammenhalt in Deutschland müsse durch mehr soziale Sicherheit gestärkt werden.

Matthias Gastel ist 1970 in Stuttgart geboren, ledig und wohnt in Filderstadt. Der 46-Jährige ist Altenpflegehelfer, Diplom-Kaufmann, Diplom-Sozialpädagoge und zertifizierter Wirtschaftsmediator. 2006 baute er eine eigene Zeitarbeits- und Personalvermittlungsfirma für Fachkräfte im sozialen Bereich auf, die er 2012 übergab. Den Grünen gehört Gastel seit 1989 an. Er war unter anderem 20 Jahre Stadtrat in Filderstadt. 2013 kam Gastel über die Landesliste in den Bundestag. Ein zentrales Anliegen ist Gastel, der bahnpolitischer Sprecher der Grünen ist, der Ausbau des Schienenverkehrs. Dafür müsse der Bund viel mehr Mittel bereitstellen als bisher. Generell kämpft er für eine saubere Fortbewegung. Wichtig ist ihm auch die konsequente Umsetzung der Energiewende.

Renata Alt wurde 1965 in Skalica (Slowakei) geboren. Seit 2000 lebt die Chemie-Ingenieurin in Deutschland. Sie ist verheiratet. 1991 arbeitete Alt im Außenhandelsministerium in Prag, wo sie für Außenhandel und die EU zuständig war. 1992 entsandte sie das Auswärtige Amt nach München, wo sie erst Wirtschaftsattache im Generalkonsulat der Tschechoslowakischen Republik und später in gleicher Funktion im Generalkonsulat der Slowakischen Republik war. Seit 1994 arbeitet sie als Beraterin und Dolmetscherin im Bereich Außenhandel/Außenbeziehungen. Ihre zentralen politischen Ziele: soziale Marktwirtschaft stärken, die „weltbeste“ Bildung für jeden, gesteuerte und kontrollierte Zuwanderung von Flüchtlingen, faire Balance zwischen Bürger und Staat. Europa solle zu einem „Kontinent der Chancen“ werden.

Joachim Bauerle, 1956 in Stuttgart geboren, arbeitet seit seinem 18. Lebensjahr als Fließbandarbeiter in der Motorenmontage bei Mercedes. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Stuttgart. Bauerle kandidiert für die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD). „Mein Grundgedanke ist, dass wir Arbeiter uns in die Politik einmischen müssen – im Interesse unserer Kinder und Enkelkinder“, sagt Bauerle. „Gegen die Herrschaft des internationalen Finanzkapitals muss die internationale Arbeiterklasse zur überlegenen Kraft werden.“ Er kritisiert, dass der Milliarden-Profit, den Arbeiter und Angestellte erarbeiteten, in Kriege und Spekulationsobjekte investiert würden. Nicht nur an den getakteten Fließbändern, auch in den Büros und Werkstätten nehme der Druck zu. Das gehe zu Lasten von Gesundheit und Familienleben.

Vera Kosova wurde 1982 in Taschkent, der Hauptstadt von Usbekistan, geboren. Mit 15 emigrierte sie mit ihrer Familie als Kontingentflüchtlinge (jüdische Migranten aus der ehemaligen Sowjetunion) nach Deutschland. Seit 2003 ist Kosova eingebürgert. Sie studierte Medizin. Bis Ende 2017 war die promovierte Kardiologin an der Uni Heidelberg beschäftigt. Seither ist sie freiberuflich tätig. Kosova ist ledig und hat einen Sohn. Seit März ist Kosova Mitglied der Alternative für Deutschland (AfD). „Unser Land ist durch soziale Spaltung bedroht“, sagt sie. Zentrale Anliegen sind für sie deshalb die Stabilisierung des aktuellen Rentenniveaus, die private Altersvorsorge und die Stärkung der Betriebsrente. Und sie möchte, dass die Gesellschaft familien- und Kinderfreundlicher wird.

Heinrich Brinker ist 1957 in einem niedersächsischen Dorf geboren. Er hat zwei Söhne, ist verheiratet und lebt in Kirchheim. Nach dem Lehramtsstudium an der Universität Oldenburg fand er keine Stelle als Lehrer und bildete sich deshalb zum EDV-Organisator weiter. Brinker arbeitete viele Jahre im IT-Service Management der Telekom. Seit 2016 ist er im Ruhestand. Der 60-Jährige ist Mitbegründer der Kirchheimer Linken, Kreisvorstandssprecher der Partei und in mehreren Initiativen aktiv. Wichtige Anliegen sind ihm ein sozialerer Arbeitsmarkt, mehr bezahlbarer Wohnraum und eine gerechte Handelspolitik. „Ich kämpfe für eine friedliche Zukunft, für Entspannungspolitik statt Aufrüstung“, sagt er. Die Ausgaben für Bildung, Kultur, Pflege und soziale Sicherheit müssten erhöht werden.