Von Teresa Dapp und André Stahl

Berlin - Katrin Göring-Eckardt stehen Tränen der Erleichterung in den Augen, als sie über den grünen Laufsteg zum Mikrofon geht. Cem Özdemir neben ihr ist die Anspannung noch ins Gesicht geschrieben. Eine Partei atmet auf. Und weiß, dass schwierige Wochen kommen.

Selbst die Optimisten in der Ökopartei hatten kaum noch auf ein besseres Ergebnis als vor vier Jahren zu hoffen gewagt, die 8,4 Prozent waren damals eine schlimme Schlappe. Nun steht die neun vor dem Komma. Wenn die Grünen jetzt eine Jamaika-Koalition mit Union und FDP sondieren, dann sind sie kleinster Partner - aber kein einfacher, versichert Özdemir. „Wir sind kein gerupftes Hühnchen, über das sich die anderen hermachen können“, frohlockt Ex-Parteichef Reinhard Bütikofer.

Die Grünen wollen nun drei Ministerien, sie wollen Zugeständnisse beim Kohleausstieg, bei Elektroautos - aber das wird nicht reichen. „Es muss mehr kommen als ein bisschen Öko“, sagt schon jetzt ein Vertreter des linken Parteiflügels. Auch in der Sozialpolitik müssten Erfolge her.

Klappt das mit Union und FDP? Oder wird, wie bei den Grünen manche orakeln, die CSU das Bündnis verhindern, um vor der bayerischen Landtagswahl 2018 nicht die eigene Klientel zu erzürnen? Die SPD will sich nach ihrer Niederlage in der Opposition berappeln. Das macht Druck auf die Grünen - haut Jamaika nicht hin, drohen Neuwahlen.

Aber die Zeichen stehen auf Erfolg. Zwei Dinge sind anders als 2013: Grobe Fehler wirft den beiden Spitzenkandidaten keiner vor. Keine Steuerforderungen, kein Veggie-Day, keine Pädophilie-Debatte drückten die Umfragen in den Keller wie 2013. Die interne, nicht allzu laute Kritik lautet: nicht kämpferisch genug, zu unklar, zu sehr auf Schwarz-Grün gerichtet. Vorherrschend war das große Fragezeichen, als die Umfragen im einstelligen Bereich stagnierten: Warum wollen die Leute uns nicht wählen? Obwohl Öko-Themen wie Autoabgase und sogar sterbende Bienen es auf Titelseiten schaffen?

Zweitens: Vor vier Jahren war ein erheblicher Teil der Partei strikt gegen Schwarz-Grün, diesmal sprechen auch die Linksgrünen viel von staatsbürgerlicher Verantwortung.

Für die Spitzenkandidaten stand viel auf dem Spiel, sie haben ihren realpolitischen Kurs gegen manche Widerstände durchgesetzt. Größere Personalrochaden sind unwahrscheinlich, solange sondiert und verhandelt wird. Auch Jürgen Trittin ist fest eingeplant - als einer, der bei Linksgrünen weiterhin großen Einfluss hat. Die Hoffnung: Wirbt Trittin für Schwarz-Gelb-Grün, der Mann, der 2013 nichts von Schwarz-Grün hielt, dann wird die Basis wohl folgen. Die muss einen Koalitionsvertrag in einem Mitgliederentscheid absegnen.

Heute tagen die Parteigremien, morgen kommen alte und neue Abgeordnete zusammen. Am Samstag entscheidet dann ein kleiner Parteitag formell über die Sondierung mit Union und FDP. Man werde die Einladung zum Gespräch annehmen, sagt Özdemir schon jetzt. Bei aller Erleichterung: Über die Neubesetzung der Partei- und Fraktionsspitzen wird intern längst gesprochen. Özdemir will nach neun Jahren nicht noch einmal Parteichef werden. Amtskollegin Simone Peter will antreten, aber viele Parteifreunde bezweifeln, dass sie sich durchsetzen würde. Robert Habeck ist der Name, der am häufigsten fällt. Der Wunsch nach Erneuerung ist da - auch mit der Neun vor dem Komma.