Heiko Herrlich gibt in Leverkusen die Anweisungen. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Olaf Kupfer

Leverkusen - Über fast drei Jahre war Bayer 04 Leverkusen voll auf das Projekt Roger Schmidt ausgerichtet. Jetzt ist der stilbildende Trainer (und auch die Episode Tayfun Korkut) weg und mit ihm nicht nur einige Spieler, sondern und auch eine ganze Spielphilosophie von jagenden Fußballern. Unter dem neuen Trainer Heiko Herrlich beginnt Leverkusen von vorn - natürlich mit einem alten Anspruch: ab in das internationale Geschäft.

Warum ist Heiko Herrlich ganz anders als Roger Schmidt?

Das ist gar nicht so sicher, mindestens was manche Eigenheit angeht. Herrlich geht wie Schmidt geradlinig seinen Weg. Und einen Wechsel nach China, wie ihn Schmidt durchaus überraschend vollzogen hat, hätte man auch Leverkusens neuem Trainer zutrauen können. Immerhin hat Herrlich seinerzeit bei seinem Wechsel von Gladbach nach Dortmund als Spieler und zuletzt als Trainer von Regensburg nach Leverkusen wenig gegeben auf Versprechungen, die er den Ex-Vereinen gemacht hatte: Wo was Großes winkt, ist Herrlich schnell da. Das muss gar kein Nachteil sein, wenn daraus nun für Leverkusen etwas Großes entsteht: Herrlich hat nachgewiesen, ein moderner Trainer zu sein, der eine Mannschaft hinter sich versammeln kann. Das war Schmidt zuletzt nicht mehr gelungen. Ob ihm das auf Leverkusener Niveau gelingt, bleibt abzuwarten. Herrlich war mindestens nach Favre, Tuchel und vielleicht auch Bosz nicht die erste Wahl, aber eine, die im Verein inzwischen ganz gut ankommt.

Was wird sich wesentlich unter Herrlich ändern?

Der sympathische Ex-Torjäger plant, dass Leverkusen nicht mehr nur noch von seiner individuellen Qualität her überzeugen kann, sondern auch als echtes Team funktioniert. Das war zuletzt verloren gegangen, weil einige Spieler Schmidt viel zu verdanken und ihm treu ergeben waren, anderen Akteuren aber der aufwendige Spielstil schlicht aufs Gemüt schlug. Fragen Sie mal Stefan Kießling nach Schmidt. Herrlich hat das Egoistische schnell öffentlich gebrandmarkt, vorab informiert natürlich durch die Sportdirektion, die schon zum Ende der Saison klar gemacht hatte, dass einige Spieler gehen werden müssen, die nicht zuerst an die Kollegen dachten: Chicharito und Calhanoglu gehören dazu, Toprak wollte schon vor einem Jahr weg. Herrlich arbeitet seither akribisch am Teamgeist, Leverkusen wird einen guten brauchen, wenn man das Niveau erreichen will, dass in den vergangenen Jahre Normalität war. Das hat nämlich (fast) immer für die Champions League gereicht.

Wer wird noch gehen?

Kevin Kampl wollte wieder einmal Schmidt folgen und nach China abwandern, Leverkusen witterte dann auch ein richtig gutes Geschäft. Das Ganze implodierte dann aber, jetzt ist Kampl noch da. Und sagt, ganz Profi, dass dann eben klar sei, dass er Leverkusener sei. So funktioniert Heimatverortung 2.0. Auch Bernd Leno wollte weg, weil er vor der WM Champions League spielen wollte, durfte aber nicht. Nach den schwachen Leistungen beim Confed Cup muss Leno sich erst mal wieder hinten anstellen, jetzt kann er die Rückkehr in die Königsklasse selbst regeln, ganz wie Julian Brandt, der hätte gehen können, nicht aber gehen wollte, „weil ich hier noch etwas gerade zu biegen habe“. Auch Bellarabi soll nun wohl doch bleiben. Klar ist: Leverkusen wird noch tätig bis zum Ende der Transferfrist, im Sturm wird Klasse gesucht, Barcelona-Talent Munir El Haddadi soll im Fokus stehen. Bislang sind Volland, Kießling und Pohjanpalo Sturmposten.

Wer saugt die Probleme weg?

Rudi Völler. Mit einem Augenzwinkern, einem Schulterklaps oder immer öfter mit einem ordentlichen Ausraster, der den Blickwinkel auf ihn lenkt. Völler bleibt Leverkusens Gesicht, der Vertrag ist bis 2022 verlängert. Auch eine Saison ohne Europapokal gestattet der Werksverein seinem prominentesten Angestellten, dem vorgeworfen wird, zu lange die Ära Schmidt falsch gedeutet zu haben. Immerhin: Mit Herrlich und einem gestärkten Manager Jonas Boldt hat der Club Schlüsse aus einer vermaledeiten Saison gezogen. Ob das reicht? Testspiele gegen Sandhausen (2:3), Kickers Würzburg (0:3 und Bonner SC (2:2) haben Völler schon wieder aufgeschreckt.

Und was wird richtig gut in Leverkusen?

Da werden gerade wieder echte Werte geschaffen, von der auch die Nationalmannschaft profitieren wird: Julian Brandts Talent ist außergewöhnlich, aber der ganze Leverkusener Stolz ist neuerdings Kai Havertz, 18 Jahre alt, gerade hat er sein Abitur abgelegt. Havertz ist kommender Nationalspieler, der Vertrag ist bis 2022 verlängert - wie auch jener von Talent Benjamin Henrichs noch läuft. Und: Der Zugang Sven Bender könnte eine der besten Entscheidungen der jüngeren Jahre gewesen sein.

Zu- und Abgänge

Zugänge: Sven Bender (Borussia Dortmund, 12,5 Millionen Euro), Dominik Kohr (FC Augsburg, 2 Millllionen Euro), Marc Brasnic (Fortuna Köln, Leihende), André Ramalho (Fc Mainz 05, Leihende), Marlon Frey (1. FC Kaiserslautern, Leihende).

Abgänge: Hakan Calhanoglu (AC Mailand, 22 Millionen Euro), Ömer Toprak (Borussia Dortmund, 12 Millionen Euro), Kyriakos Papadopoulos (Hamburger SV, 6,5 Millionen Euro), Danny da Costa (Frankfurt, 1 Million), Andrejs Ciganiks (Schalke 04 II, ablösefrei), Lukas Boeder (SC Paderborn, ablösefrei), Paterson Chato (Borusssia Dortmund II, ablösefrei), Patrik Dzalto (SSV Jahn Regensburg, ablösefrei), Robin Becker (Eintracht Braunschweig, keine Angabe), Seung-Woo Ryu (Jeju United, keine Angabe), Roberto Hilbert (vereinslos), Chicharito (West Ham United, 18 Millionen Euro).