Quelle: Unbekannt

Von Katja Köhler

Ältere Menschen neigen dazu, die Weihnachtsfeste ihrer Kindheit in ein nostalgisches weißes Kleid zu hüllen. Sie behaupten, damals habe es an den Feiertagen viel öfter Schnee gehabt als heute. Um nicht zu sagen immer. Das stimmt aber nicht. Einer Studie zufolge waren die Weihnachtstage in Deutschland fast durchgehend grau, oft nass und allgemein viel zu warm, und das seit nunmehr 200 Jahren. Ganz so alt ist die Autorin dieser Zeilen zwar nicht, aber ihre Erinnerung an das durchschnittliche Weihnachtswetter deckt sich dennoch mit der offiziellen Einschätzung. Aus der trüben Reihe leuchtet ein Weihnachtsfest allerdings schneeweiß heraus. Am 24. Dezember 2010 betrat die Autorin gegen halb neun Uhr morgens bei Regennässe eine gut besuchte Bäckerei, und als sie sie mit der Brötchentüte in der Hand eine Viertelstunde später wieder verließ, kam sie in eine weiße Winterwelt hinaus. Es schneite munter weiter, es blieb kalt und am zweiten Weihnachtsfeiertag wirkte der Stadtteil wie ein Wintersportort. Schnee auf Dächern und Bäumen, Schnee auf Straßen und Bürgersteigen. An den Haltestellen sammelten sich mit Skikleidung, Winterstiefeln und Rodel ausstaffierte Kinder, um mit dem Bus in höher gelegene Gefilde zu fahren, anschließend mit dem Schlitten ins Tal zu sausen und wieder von vorne. So ging das den ganzen Tag im Winterwunderland, und alle waren fröhlich und vergnügt.

In Wahrheit war das Ganze eine ziemlich nasse Angelegenheit, im Bus troff an den Fenstern das Wasser und stand auf dem Boden der Matsch, Hände und Füße waren kalt, die Kinder hatten irgendwann Hunger und Durst und keine Lust mehr, den Schlitten das letzte Stück bis nach ganz oben zu ziehen. Unten angekommen, war der Anschluss-Bus gerade weg und beim Warten an der Haltestelle sank die Laune aller auf das Niveau der Umgebungstemperatur.

So ist das mit den Weihnachtserinnerungen. Gräbt man nicht zu tief in ihnen, sind sie im weißen Kleid nun mal schöner und werden großzügig auf die Jahre verteilt. Dabei vergisst man, dass das Weihnachtsschmuddelwetter auch seine Vorteile hat: Man kann von weißer Weihnacht träumen - und im Warmen bleiben.