Julia Theermann Foto: Roberto Bulgrin - Roberto Bulgrin

Für die Einheimischen war es gar nicht so leicht zu schlucken, dass die neue ostfriesische Kollegin noch nie wandern war

EsslingenDass sie neulich zum ersten Mal wandern war, hat bei den Kollegen der Autorin für ungläubiges Staunen gesorgt. „Wie kann das denn sein?“ und „was habt ihr denn in deiner Kindheit sonst für Ausflüge gemacht?“ waren oft gestellte Fragen. Sie fühlte sich schon ganz schlecht, hatte das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Aber, gibt die Schreiberin dieser Zeilen zu bedenken, man muss sich auch immer vor Augen halten, dass das Wandern nicht überall zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen gehört.

In Ostfriesland zum Beispiel wandert man zwar gelegentlich – aber halt im Watt. Und zwar in der Regel vom Festland zur Insel oder zurück. Wohlgemerkt: Oder! Für beide Strecken reicht die Zeit nicht, denn dann kommt das Wasser schon zurück. Auch Wasserwanderungen gibt es, dann halt mit dem Kanu.

Eine andere beliebte Freizeitbeschäftigung, bei der man laufen muss: Boßeln. Und nein, das hat nichts mit dem Berg am Albtrauf zu tun. Boßeln – hin und wieder auch Klootschießen genannt – ist eine Sportart, in der zwei Teams eine Strecke von vier bis sechs Kilometern bewältigen. Ausschlaggebend dafür, wie schnell man vorankommt, ist eine schwere Gummikugel. Beide Teams müssen nämlich die Strecke mit möglichst wenigen Würfen der Kugel hinter sich bringen. Das Gemeine dabei: An den Seiten der Straßen, die zum Boßeln genutzt werden, sind in aller Regel Wieken, also Wasser führende Gräben. Da plumpst so eine Kugel gerne mal rein. Um dem Frust Herr zu werden, gibt’s beim Boßeln also quasi obligatorisch Schnaps.

Doch die eigentliche Leidenschaft der Ostfriesen, wenn es um Bewegung geht, ist das Fahrradfahren. Versteht sich, wir haben ja keine Berge. Statt Wandertagen macht man in der Schule oder mit den Eltern also Radtouren – nach Stickhausen an den Stickisee, nach Bagband zur Brauerei, oder zur Pünte, um mit der handbetriebenen Fähre über die Jümme überzusetzen. Aber die Schreiberin dieser Zeilen hat es inzwischen mal ausprobiert, das schwäbische Nationalhobby. Vom Schloss Lichtenstein ging’s über die Nebelhöhle bis zur Echazquelle. Teilweise konnte sich die Autorin gar nicht sattsehen am Bergpanorama. Und inzwischen muss sie sich auch eingestehen: Wandern kann echt Spaß machen. Nicht nur im Watt.