Wenn das Fahrrad plötzlich doppelt angeschlossen ist.
EsslingenAn guten, schlechten, kalten, heißen und manchmal selbst an nassen Tagen verfolge ich ein Prinzip: mit dem Rad ins Geschäft fahren. Zumindest die letzte Etappe der Anreise aus Stuttgart. Immerhin 2000 Meter Minimalsport, also gar vier Kilometer pro Tag. Vom Oberesslinger Bahnhof in die Zeppelinstraße zum Bechtle-Verlag.
Da das ehemalige Arbeitsrad eines Tages am Fahrradunterstand auf der Bahnhofsüdseite weg war – ein Dieb hatte sich offenbar sehr genau für Klappräder interessiert –, half ein Kollege aus. Sein „alter Göppel“, wie er mit ein wenig Wehmut sagte, könne mir helfen. Und so saust das Gefährt seither täglich am Neckar entlang gen Redaktion. Dort wurde wenig später wieder etwas geklaut, glücklicherweise diesmal nur das Schloss, das Fahrrad stand noch da.
Mit neuer Wegfahrsperre ausgestattet sowie voller Sport- und Schreibdrang wollte ich an diesem Donnerstag wieder ins Büro fahren – und diesmal waren weder Rad noch Schloss weg. Dennoch musste der alte Göppel ruhen. Ein Mitradler hatte sich offenbar verkettet und neben seinem auch mein Gefährt angeschlossen. Es kitzelte kurz in den Fingern, dem Übeltäter die Luft aus den Reifen zu lassen, formal könnte man von einer Verkettungsreaktion sprechen. Ob die vor Gericht der Unberechenbarkeit gleichgesetzt und strafmildernd wirkt, ist aber ungewiss. Und so hat die Vernunft die Emotion besiegt, die Luft blieb drin – und am Folgetag war der alte Göppel wieder leinenlos und der Fahrer glücklich.