Claudia Bitzer. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Claudia Bitzer ist fasziniert vom Britischen Unterhaus. Nicht wegen des Brexits, sondern wegen der Situps der Abgeordneten.

EsslingenReisen bildet. Fernsehen mitunter auch. So konnte man am Wochenende entspannt auf dem Sofa im eigenen Wohnzimmer miterleben, wie sich die Abgeordneten jenseits des Ärmelkanals wieder einmal engagiert, aber erfolglos durch den Brexit gekämpft haben.

Zwar steht die flachsfarbene Haartracht von Premierminister Boris Johnson geradezu symbolisch für die kreuz und quer auseinanderstrebenden Kräfte im Land und im britischen Unterhaus. Für Beobachter jenseits der Insel ist aber immer wieder erstaunlich, wie viel Leben durch das vom Ambiente her eher angestaubte Parlament tobt. Denn jeder Abgeordnete, der sich zu Wort melden will, streckt nicht den Finger, sondern muss aufstehen. Und das sind bei einer so kontroversen Angelegenheit wie dem Ausstieg aus der EU eben sehr viele. Die Abgeordneten sind gewissermaßen auf La Ola in Dauerschleife.

Blickt man aufs Festland – zum Beispiel nach Berlin –, so lässt die Unterhaus-Welle die deutschen Parlamentarier bei ihren Debatten im Bundestag wie Schnarchzapfen aussehen. Und statt eines gegelten Undone-Premiers hält bei uns eine Kanzlerin mit Föhnwelle die Zügel in der Hand – im Finishing festzementiert von Udo Walz und Drei-Wetter-Taft. Aufstehen statt Finger heben: Das würde nicht nur den Unterricht hierzulande in vielen Schulen deutlich beleben. Sondern auch manche Gemeinderats- und Kreistagssitzung. Als Beitrag zur Zwangs-Verjüngung der demokratischen Gremien scheint die britische Up-and-Down Bewegung auf grünen Lederbänken allerdings nicht zu taugen: Der Blick ins Unterhaus zeigt, dass auch erfahrenere Abgeordnete durchaus noch in der Lage sind, den Diskussionen nicht nur geistig, sondern auch körperlich zu folgen. Es sei denn, die Bandscheibe macht bei den Sit-ups nicht mehr mit.

Dennoch wäre es den Parlamentariern auf der Insel zu wünschen, dass sie die Never Ending Story um den Brexit irgendwann einmal einfach nur abnicken könnten. Ob das auch der Bevölkerung und dem restlichen Europa gut tut, steht allerdings auf einem ganz anderen Blatt.