Eigentlich sollte der Kunde beim Einkauf König sein. Doch manchmal fühlt er sich auch als Störenfried. EZ-Redakteur Alexander Maier hat sich darauf seinen eigenen Reim gemacht.

EsslingenGehören Sie auch zu denen, die schon als Kind davon geträumt haben, einmal im Leben König zu sein? Das klingt nach einem Märchen, doch dieser Traum kann wahr werden – Sie müssen bloß der Werbung glauben. Denn die versichert gern, dass der Kunde König sei. Das klingt gut, doch selbst den treuherzigsten Zeitgenossen können im Alltag leichte Zweifel überkommen. Manchmal fühlt sich König Kunde auch wie ein Bettelmann. Etwa dann, wenn sich die sonst so freundliche Dame beim Metzger des Vertrauens mit ihren Kolleginnen intensivst über den Besuch der ungeliebten Schwiegermutter austauschen muss. Dabei kann ein Kunde nur stören. „Was darf’s noch sein?“ – „Hundert Gramm Tiroler Wurst, bitte.“ Doch da hat sich die Servicekraft schon wieder ihrer Kollegin zugewandt, die größten Anteil nimmt am schweren Schicksal der von ihrer Schwiegermutter Gebeutelten. „Was war’s bei Ihnen noch gleich?“ – „Hundert Gramm Tiroler Wurst, bitte.“ Und schon gilt die ganze Aufmerksamkeit wieder der Kollegin, die mit guten Ratschlägen aushilft, wie man lästige Schwiegermütter möglichst rasch los wird. Aber halt: Der Kunde steht ja noch immer da. „Und was wollten Sie?“ - „100 Gramm Tiroler Wurst, bitte.“ Daheim findet der geneigte Kunde 200 Gramm Lyoner in der Tüte.

Szenen wie diese erlebt man leider immer wieder. Etwa im Zeitungskiosk, wo die Verkäuferin eine Freundin am Telefon gerade wissen lässt, dass sie „heute besonders schlecht drauf“ sei. Wer der Dame aufmerksam zuhört – und das ist angesichts ihrer Lautstärke gar nicht zu vermeiden – würde nicht im Traum daran denken, ihr zu widersprechen. Und spätestens wenn man vor ihr an der Kasse steht, bekommt man eine volle Breitseite von „heute besonders schlecht drauf“ verpasst. Oder an der Kasse eines anderen Geschäfts, wo gerade eine junge Dame eingelernt wird, die ein Namensschild als „Aushilfskraft“ ausweist. Eine erfahrene Kollegin schaut seelenruhig zu, wie die Neue mit den Herausforderungen der Technik kämpft – und wie die Schar der Wartenden immer größer wird. Dass man zwischendurch die zweite Kasse aktivieren könnte, bis die Kunden-Schlange abgearbeitet ist, kommt weder der erfahrenen Kassiererin noch der Abteilungsleiterin in den Sinn, die als Dritte im Bunde das Geschehen aufmerksam, aber untätig verfolgt. Beliebt ist auch das Geduldsspiel, das man in mancher Bäckerei erleben kann: Während der Kreis der Wartenden immer größer wird, füllt eine der beiden Verkäuferinnen seelenruhig die ohnehin schon vollen Auslagen auf, während ihre Kollegin die Kundschaft in einem Tempo bedient, das selbst eine Schnecke hyperaktiv erscheinen lässt.

Geschichten wie diese erlebt man leider viel zu häufig. Man kann sich darüber ärgern – oder all jene Servicekräfte in Handel, Gewerbe und Behörden noch höher schätzen, die alles tun, damit sich Kunden wirklich wie Könige fühlen. Das ist nicht selbstverständlich und verdient gerade in der stressigen Vorweihnachtszeit besondere Anerkennung. Und wer dem Kunden noch ein nettes Wort mit auf den Weg gibt, hat doppeltes und dreifaches Lob verdient – und seine Kundschaft wieder mal daran erinnert, dass es durchaus seine Vorzüge haben kann, beim Einzelhändler vor Ort einzukaufen. Schlechten und unfreundlichen Service kriegt man auch im Internet.