Elisabeth Maier. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Die Höflichkeitsfloskel „Sehr gerne“ ist ganz groß in Mode. Aber nicht immer verbirgt sich dahinter eine ehrliche Antwort. Elisabeth Maier blickt den Tatsachen ins Gesicht.

Esslingen Esslingen Die Floskel „Sehr gerne“ ist das neue „Das kotzt mich aber richtig an“. Den Eindruck könnte man jedenfalls bekommen, wenn man den Kellner zu den Spaghetti Bolognese nach Parmesankäse fragt, den er im ersten Anlauf vergessen hat. Erst mal verzieht er das Gesicht, sichtlich genervt, schaltet die Mundwinkel dann umgehend wieder auf künstliches Lächeln um. Dann flötet er das Zauberwort „sehr gerne“. Wenn seine Blicke sprechen könnten, käme das ganz anders rüber. Verständlich, nach einem langen Arbeitstag genervt zu sein von Extra-Wünschen der Gäste. Aber angesichts so viel Frust wäre das letzte Wort doch verzichtbar. Dann lieber ein „Tschuldigung, aber bei so viel Trubel vergisst man schon mal was.“ Ist ja verständlich. Dasselbe Aha-Erlebnis habe ich in der Parfümerie. Da bedrängt mich die Verkäuferin sofort, ob ich nicht mal den neuen Blümchen-Duft testen möchte. Ich stehe eher auf herb, und bitte, einfach in Ruhe schauen zu dürfen. „Sehr gerne“ zischt die junge Dame – schlangengleich.

Groß in Mode ist die übertriebene Höflichkeitsfloskel, die oft Bände spricht. Wenn der Sitznachbar im Bus nervt und zum dritten Mal fragt, ob ich ihm auf meinem Smartphone mal bitte die beste Zugverbindung nach Heilbronn raussuchen könnte, ertappe ich mich selbst mit frostiger Miene – und presse erst ein gequältes, dann ein aggressives „gerne“ aus verkniffenen Lippen. Später ärgere ich mich, dass ich nicht einfach „nein“ gesagt habe.

Ehrlichkeit in der Sprache ist einfach besser – man fühlt sich entspannter, wenn man Nervensägen verbal die kalte Schulter zeigt. Welche seltsamen Blüten das Floskel-Fieber treibt, führen die US-Amerikaner vor. Auf die Frage „Wie geht es Dir?“ muss die Antwort knapp und mechanisch lauten: „Fine“ (deutsch: gut). Wenn auf die Gegenfrage „Und Dir?“ die ehrliche Antwort „Nicht so gut, ich habe Kopfschmerzen“ kommt, ist man gesellschaftlich untendurch. Nachfragen, ob man irgendwie helfen kann, sind unerwünscht und ernten allenfalls verwirrte Blicke. Dann lieber ein ehrliches „Nein“ als „sehr gerne“, garniert mit arrogantem Unterton.