Dagmar Weinberg. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Von Dagmar Weinberg

Man kann der Bahn ja viel vorwerfen. Um Ausreden ist sie aber nie verlegen. Mal dauert die Reise länger, weil ein vorausfahrender Zug im Weg ist, mal klemmt’s bei den Signalen, mal gibt es einen Oberleitungsschaden oder die Fahrgäste haben angeblich beim Ein- und Aussteigen getrödelt. Warum der Regionalexpress nach Tübingen an diesem Abend mal wieder Verspätung hat, darüber schweigt sich der Lokführer allerdings aus. Da der RE aber nur vier Minuten zu spät in Esslingen einläuft, ist der junge Mann ganz gelassen. Schließlich bleiben ihm vier Minuten Zeit, um in Tübingen in den Anschlusszug nach Hechingen umzusteigen. Und das reicht erfahrungsgemäß selbst dann, wenn man nicht so sportlich unterwegs ist wie er.

Bei der Einfahrt in die Unistadt hat sich die Verspätung jedoch auf stolze sieben Minuten addiert. So bleibt nur ein Sprint durch die Bahnhofsunterführung. Doch der hilft an diesem Abend nicht. Entgegen ihrer sonstigen Gepflogenheiten hat sich die Hohenzollerische Landesbahn nämlich exakt zu der im Fahrplan angekündigten Zeit auf den Weg gemacht. Sie könne nichts dafür, dass die HzL dieses Mal nicht auf den Zug aus Stuttgart gewartet hat, lässt die Fahrdienstleiterin die im eisigen Nordwind schlotternden Reisenden wissen. Das entscheide allein die Transportleitung in Karlsruhe. Außerdem fahre ja in einer guten Stunde der nächste Zug. „Eine Unverschämtheit“, befindet der junge Mann und weiß sich mit seinen verärgerten Mitreisenden einig.

Die muntere Seniorengruppe aus Balingen, die einen glühweinseligen Tag auf dem Esslinger Weihnachtsmarkt verbracht hat, lässt sich durch den außerplanmäßigen Zwischenstopp jedoch nicht die Laune verderben. „Dann gehen wir halt noch einen Absacker trinken“, verkünden die Ausflügler und machen sich flugs auf den Weg in die Tübinger Bahnhofskneipe. Genau die richtige Einstellung, findet auch der junge Mann. An manchen Tagen muss man sich die Reise mit der Bahn einfach schöntrinken.