Quelle: Unbekannt

Von Elisabeth Maier

Verräterisch linst das petrolfarbene Strickmuster aus der Weihnachtstüte. Meine Freundin und Kollegin Dagi stellt das Weihnachtsgeschenk schon mal in mein Büro. „Danke, das kommt dann unter den Gabentisch.“ Aber soll ich wirklich so lange warten? Ein sehnsüchtiger Blick, und schon ist sie überredet. „Mach es ruhig schon auf.“ Da traue ich meinen Augen kaum - ein handgestricktes Drachentuch. Der wunderschöne Schal macht sogar Schnee und Eiseskälte erträglich. Die weiße Pracht gibt‘s zumindest in Kombination mit Schmuddelwetter. Allerdings sind es noch drei ganze Tage bis Weihnachten. Auch auf Facebook wird das tolle Geschenk schon mal gepostet und erntet begeisterte Kommentare - 35 Likes, Herzchen und „Wows“. Tendenz steigend.

„Na ja, kalt ist es ja jetzt“, sagt Dagi verständnisvoll. Dass ich nicht bis zur Bescherung gewartet habe, sieht sie gelassen. Ähnlich läuft es auch mit der Weihnachtstüte für meinen Kater. Das gierige Tier turnt so lang zwischen meinen Beinen herum und schaut mich treuherzig an, bis ich die erste Tube Lachscreme öffne. Dann sind auch die zwanzig Schlemmerdöschen schnell geöffnet und der Inhalt gierig verzehrt. Leider ist die Mieze da keinen Deut besser als ich.

Was waren das für Zeiten, als wir Kinder bis zur Bescherung warten mussten? Die Eltern haben unsere Geschenke auf dem Schlafzimmerschrank versteckt. Da hatten weder ich noch mein Bruder Zutritt. Vor Heiligabend stieg die Spannung ins Unermessliche. Bis wir nach dem Essen die Geschenke auspacken durften. Als mein Onkel Paul und meine Tante Elfriede mir ein Puppenhaus bauten, war der Zutritt zur Werkstatt strengstens verboten. Erst unterm Tannenbaum sah ich das Schmuckstück zum ersten Mal. Die verfrühte Bescherung hat dennoch was Gutes. So hat Dagi mein strahlendes Gesicht gesehen, als ich die tolle, liebevoll getsrickte Überraschung auspackte.