Dagmar Weinberg. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Fast die Hälfte der unter 30-Jährigen will im neuen Jahr öfter online sein. Ob sie sich stattdessen aber ihre Zeit mit dem Schreiben von Urlaubskarten vertreiben sollten, ist angesichts der Beförderungsdauer mancher Poststücke fraglich.

Esslingen Mehr Bewegung, weniger Alkohol, sich häufiger mit Freunden treffen, statt vor der Glotze abzuhängen, dem Glimmstängel adieu sagen und öfter mal aufs Auto verzichten: Das Jahr 2019 haben viele mit einer langen Liste guter Vorsätze begrüßt. Die Facebook-Generation hat sich fürs neue Jahr vor allem eines vorgenommen: Fast die Hälfte der 14- bis 29-Jährigen will öfter offline sein. Mag man den ständigen Blick aufs Smartphone im Alltag für unverzichtbar halten, lässt sich im Urlaub auf die Segnungen der elektronischen Kommunikation getrost verzichten. Denn wer braucht unter Palmen schon den neusten Klatsch und Tratsch von daheim? Und wer will in der Heimat schon Handyfotos mit nichtssagenden Motiven aus dem Urlaub sehen? Schreibt man hingegen Ansichtskarten, gibt’s nicht nur für die Daheimgebliebenen viele schöne bunte Bilder. Die Wirtschaft im Gastland wird gefördert, die Postboten freuen sich über neue Ausblicke in die Welt, und am Ende beschenkt man sich selber – vor allem, wenn’s mit der Zustellung mal wieder etwas länger dauert.

Damit die Grüße aus der Ferne vor unserer Rückkehr in den Briefkästen landen, hatten wir gleich zu Beginn unseres Urlaubs auf Zypern einen beachtlichen Kartenstapel auf die Reise geschickt. Das war am 28. August. Der erste Hinweis, dass der Postsack den weiten Weg anscheinend doch unbeschadet überstanden hat, erreichte uns Mitte November. Da fischten wir eine Ansichtskarte aus dem Briefkasten, auf der sich unsere französischen Freunde für die Urlaubsgrüße bedankten. Einige Tage später überreichte uns der Postbote einen Brief unserer Patenkinder aus der Schweiz. Dass sie nach so langer Zeit doch die Urlaubsgrüße bekommen hatten, hatte sie wiederum motiviert, selbst zur Feder zu greifen. In den nächsten Wochen klingelte immer mal wieder das Telefon. Am anderen Ende der Leitung meldeten sich weitere Empfänger, denen die grauen Herbststage durch die sonnigen Urlaubsgrüße versüßt worden waren. Kurz vor dem Jahreswechsel rief auch noch die Freundin aus Berlin an. Sie hatte die Urlaubskarte zusammen mit unseren Neujahrsgrüßen in ihrem Briefkasten gefunden.

Nur die Patentante wartet immer noch auf Post aus Zypern. Die hätte spätestens am 2. Oktober zu ihrem 95. Geburtstag auf dem Tisch liegen sollen. Nun hofft sie, dass auch die Postler mit guten Vorsätzen ins neue Jahr gestartet sind und ihr zum 96. Wiegenfest die Karte zustellen. Das sollte selbst für die Deutsche Schneckenpost kein Problem sein.