Michael Paproth. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Michael Paproth denkt über Raser nach.

Freie Fahrt für freie Bürger. Jawoll, Deutschland hat Autobahnen, wo ohne lästiges Tempolimit das Pedal so richtig tief durchgedrückt werden darf. Gerne macht man das auch mal anderswo, etwa hoch über Esslingen auf der Römerstraße in Richtung Katzenbühl. Wer sich hier an behördlich vorgeschriebene Geschwindigkeit hält, der kann gucken, wie viele Auspuffrohre die vorbeizischenden Autos haben. Auf der B 10 von und nach Stuttgart oder Plochingen lassen sich ebenfalls derlei Studien treiben – und sich ganz nebenbei im Lippenlesen üben: Mach Platz, du Penner, hier steht kein Blitzer, der kommt erst später, weiß man doch. Überhaupt: 80 Stundenkilometer, pah, rechts isch’s Gas! Rechts wird hier gern überholt – gedrängelt und aufgefahren wird ohnehin, sehr gerne auch im Stadtverkehr in Esslingen und anderswo. In der Geiselbachstraße zum Beispiel, wo wegen Kanalschäden seit geraumer Zeit von früher Tempo 30 auf jetzt Tempo 20 gedrosselt werden muss. Gut, zugegeben, das macht noch nicht einmal der Tempomat mehr mit, warum soll es dann dem Bleifuß gelingen.

Hapern tut es in der Stadt zudem bei einer durchaus simplen Kommunikationsform, dem Blinken. Hmm, ist lästig. Austauschen tut man sich ja schon genügend mittels sozialer Medien (wieso eigentlich sozial?) und Messengerdiensten, in denen alles und nichts mitgeteilt wird. Nein, nein, Deutschland hat keine aggressive Fahrkultur. Die Studie des Freiburger Historikers Peter Itzen, wonach auf deutschen Straßen seit 1950 bis heute knapp 780 000 Menschen durch Verkehrsunfälle starben und mehr als 31 Millionen Menschen verletzt wurden, sind bloß Fake-News. Her mit alternativen Fakten. So kann man dem gefährlichen Bleifuß treu bleiben. Rechts isch’s Gas!