Quelle: Unbekannt

Von Moritz Osswald

„Hey du! Ja, genau du in der beigen Jacke. Du siehst aus wie ein sozialer Mensch!“ Verdutzt schaut der junge Mann einer mit Tablet bewaffneten, strahlenden jungen Frau entgegen. Während er noch indifferent dreinschaut, zählt die Dame fachmännisch die Restbestände bedrohter Tiger- und Elefantenarten auf. Alltägliche Szenen einer recht jungen Marketingform, die sich „Direktmarketing“ oder bisweilen auch „Dialogmarketing“ nennt. Im Gegensatz zur sonstigen breitflächigen Bombardierung mit Light-Pornografie (lies: Modewerbung) eine erfrischende Abwechslung: Nahezu ausschließlich NGOs, also nicht staatliche Organisationen, mit sozialem oder karitativem Hintergrund betreiben diese Art des Marketings.

Dennoch geht es am Ende des Tages nur um Vertragsabschlüsse. Die sogenannten „Fundraiser“ (Deutsch: „Spendensammler“) an ihren mobilen Infoständen, strategisch ideal in Innenstadtlage mit hoher Passantenfrequenz positioniert, sind dabei nicht einmal bei den NGOs selbst angestellt. Sie müssen sich auch nicht mit den Werten und Idealen der Organisation identifizieren, die sie symbolisch vertreten. Die Drittfirmen, die von Amnesty, Hungerhilfe und Co. angeheuert werden, vermitteln den meist geldhungrigen Studenten Anfang 20 vorher die wichtigsten Eckdaten. Vor allem aber geben sie ihnen eines mit auf den Weg, bevor sie ausschwärmen: die richtigen Verkaufstechniken.

Ein dabei oft wiederkehrendes Motiv ist das des Erzeugens schlechten Gewissens. Ähnlich den „Spenden- Sie-jetzt-oder-dieses Kind stirbt!“-Briefen wird beim Gegenüber eine Form unterbewusster Schuld produziert, indem man auf Missstände hinweist und das Abschließen einer Fördermitgliedschaft als perfekte Lösung dafür offeriert. „Dialogmarketing“ kommt als geradezu niedlicher Euphemismus dieser aggressiven Marketingform daher. Mal davon abgesehen, dass ein Großteil der wirklich überzeugten Menschenrechtler, Tieraktivisten oder Katastrophenhelfer keinen Überredungs-Monolog benötigt. Wenn Menschen sich aus tiefster Überzeugung einer Sache hingeben, brauchen sie keine übergutgelaunten buntjackigen „Fundraiser“, die sie erst dazu bewegen müssen.