Thomas Krazeisen. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Die alte Kunst-oder-Kartoffeln-Diskussion scheint wieder aufzukeimen. Die teure Stuttgarter Opernsanierung schlägt vielen Bürgern und Politikern auf den Magen.

Wir brauchen keine Kunst, wir brauchen Kartoffeln“, hielt man nach den schlimmen Teuerungs- und Hungerjahren König Wilhelm I. von Württemberg vor. Der Monarch, mehr ein Freund der Landwirtschaft denn der schönen Künste, wich dem Druck der Kritiker, und so ging vor fast 200 Jahren eine spektakuläre Kunstsammlung nach München und nicht nach Stuttgart. Natürlich hat man auch in Neckar-Sparta längst begriffen, dass selbst der genügsamste Schwabe nicht vom Brot – oder den Grombiera – alleine lebt und dass eine prosperierende Bürgergesellschaft Kunst und Kartoffeln braucht.

Doch nun scheint die alte Kunst-oder-Kartoffeln-Diskussion wieder aufzukeimen. Eine Milliarde Euro für die Stuttgarter Opernsanierung – inklusive Interimsspielstätte – schlägt vielen Bürgern und Politikern, die sie vertreten müssen, auf den Magen. Was jetzt im Tonfall der Alternativlosigkeit als Marschroute vorgegeben wird, gibt freilich der „Kartoffelfraktion“ recht. Denn für einen mehr als stattlichen Betrag, der noch deutlich über den skandalösen Kosten der Elbphilharmonie liegt, bekommt man am Ende einen zwar generalsanierten, aber architektonisch und wohl auch akustisch nach wie vor mittelmäßigen Littmann-Bau. Und das, ohne die desaströse urbane Situation an der Kulturmeile mit der völlig verkorksten Stadtautobahnsituation zu beheben. Zukunftsmusik jedenfalls klingt anders – und fordert wie immer: Mut.

Im Fall einer Institution, die sich nicht mehr auf das traditionelle Bildungsbürgertum als Stammpublikum verlassen kann, sind innovativere Lösungen gefragt: ein Neubau mit möglichst flexiblem Raumkonzept, der vielfältige musiktheatralische Darbietungsformen ermöglicht. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen werden bekanntlich nicht einfacher – siehe Daimler, siehe Bosch. Solange noch Kartoffeln da sind, gilt es, in die Kunst der Zukunft und die Zukunft der Kunst zu investieren. Sonst gibt es gar nichts mehr: weder Kunst noch Kartoffeln.