Claudia Bitzer freut sich auf die Vorweihnachtszeit. Nicht auf alles. Und nicht auf jeden. Aber jedenfalls auf die vielen Lichter.
EsslingenDer Totensonntag ist vorbei, jetzt kann man sich völlig ungeniert ins Weihnachtsgetümmel stürzen. Obwohl die Geschäftswelt ja zunehmend ihre Hemmungen verloren hat. In den vergangenen Jahren hatte sie für die verkaufsoffenen Sonntage beim Esslinger Herbst nur für ein paar Stunden die weihnachtlichen Lichtergirlanden in den Straßen an – und dann bis zum Ende der kollektiven Trauerzeit wieder ausgeknipst. In diesem Jahr hat indessen so manche Straßengemeinschaft auch die November-Abende dazwischen schon zu Heiligen Nächten erklärt. Der Tannenbaum vor dem Alten Rathaus hat zeitweise auch schon tapfer vor sich hingeleuchtet. Vielleicht hat er ja auch nur geübt. Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass er nur auf zwei Drittel seiner beachtlichen Größe ins Strahlen kommt. Ob der Stadt auf den unteren zweieinhalb Metern die Kerzen ausgegangen sind oder ob sie auf diese Art und Weise übergriffige Weihnachtsgäste im Glühweintaumel vor einem Stromschlag bewahren will, sei dahingestellt. Jedenfalls hat die Teilbeleuchtung System. Der Baum am Bahnhof sieht auch nicht anders aus.
Nun muss man dem Christkind in diesem Jahr ja auch ordentlich Dampf machen, denn die umsatzstarke Vorweihnachtszeit ist fast so knapp wie im Jahr zuvor. Schließlich liegt der Heilige Abend nur einen Tag hinter dem vierten Adventssonntag. Das kann die nächsten fünf Jahre nur besser werden. Und schließlich müssen Geschäftsleute auch global denken. Im katholischen Österreich beispielsweise kennt man keinen Totensonntag, auf den man in den letzten Novembertagen noch Rücksicht nehmen müsste. Auch den Volkstrauertag haben die Ösis so nicht. Also stürzen sich unsere alpenländischen Nachbarn schon Mitte November bedenkenlos in die Weihnachtsdeko – was Grenzgänger aus Deutschland in tiefe Gewissensnöte stürzen kann. Doch seien wir mal ehrlich: Können so ein paar Lichtlein der Lebenden die Toten um ihre Ruhe bringen?
Als aufrichtige Esslinger Protestantin und Innenstadtbewohnerin ist die Schreiberin dieser Zeilen dennoch froh, dass nicht auch schon der Weihnachtsmarkt, das Mittelalter-Volk und die damit verbundenen Besuchermassen kurz nach den Herbstferien in die Stadt eingefallen sind. Aber das ist weniger eine Frage der Moral als der Nerven. Außerdem stellt sie sich jetzt ohnehin nicht mehr. Denn ab Dienstag sind sie alle da: Also seid willkommen, Ihr Händler und Gaukler, Ihr Glühweinfreunde und Falschparker, Ihr Taschendiebe und Chöre, Ihr Jahrgänger und Kinderlein, Ihr Schweizer und Japaner, kurzum: Ihr Gäste aus nah und aus fern! Esslingen, die Best Christmas City 2017, wird Euch garantiert auch 2018 aufs Beste aufs Feste einstimmen.