Michael Paproth. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Die Wahrheit ist nicht immer leicht zu erkennen. Michael Paproth schreibt in diesem Aufgespießt über die verschiedenen Perspektiven einer Wahrheit.

EsslingenEs gibt sie, die großen Fragen. Zum Beispiel was plausibler ist, die Existenz Gottes oder seine Nichtexistenz? Oder was der Mensch ist – gut, schlecht, vielleicht beides? Und wie es sich mit Händetrockner in Toiletten verhält? Hygienisch oder fiese Keimschleudern? Zu letzterem gibt es reichlich Studien, wie die von der „Deponierung von Bakterien und Bakteriensporen durch Toiletten-Heißluft-Handtrockner“.

Schwerer Stoff, aber nicht für den britischen Dyson-Konzern. Für den großen Hersteller solcher Geräte ist der Fall klarer als Kloßbrühe, kennt er doch die „Wahrheit über die Hygiene der Dyson Airblade™ Händetrockner“. Steht so auf seiner Homepage! Also dann, die Wahrheit. James Dyson, ein wahrer Brexit-Fan, gab ein hanebüchenes Versprechen, indem er den Briten vor dem unseligen Referendum versicherte, nach dem Brexit könnten jährlich 18,5 Milliarden Pfund mehr erwirtschaftet werden. Im Januar 2019 kündigte ausgerechnet dieser Sir James Dyson an, die Zentrale seines Konzerns von Malmesbury nach Singapur verlegen zu wollen.

Wie es sich mit der Dysonschen Wahrheit auch verhalten mag, wahr ist, dass ein Dyson-Händetrockner in der Bistro-Toilette am Shoreline Lake im kalifornischen Mountain View seinen Dienst versieht. Dagegen findet sich im Yosemite Nationalpark das Modell Bradley aus Menomonee Falls in Wisconsin. Ein Xlerstor aus East Longmeadow in Massachusetts bläst im WC des kleinen Parks am Alamo Square in San Francisco gegenüber den Painted Ladies. Das sind mehrfarbig gestrichene Holzhäuser, die zu den wenigen Häusern gehören, die das große Erdbeben von 1906 überstanden. Painted Ladies ist übrigens ein Slang-Begriff aus dem 19. Jahrhundert, der Prostituierte meint, da sich Damen der Gesellschaft damals nicht auffällig schminkten. Nun gut, abgeschweift, zurück zum Thema.

In Südtirol in Meran findet sich im Hotel Sigler im Thurm – Sie ahnen es – ein Händetrockner. Dieses altehrwürdige Exemplar namens Starmix stammt nicht aus Großbritannien oder Amerika, nein, es gehört zu den bodenständigen Apparaten, dessen Wurzeln im schwäbischen Reichenbach an der Fils liegen, wo 1921 die Electrostar Schöttle GmbH & Co. KG gegründet wurde. Womit wir am Anfang von allem wären. Vier Jahre später entwickelte Robert Schöttle sen. den ersten Warmluft-Händetrockner. Chapeau! Dass das Familienunternehmen nun zur russischen Algo-Gruppe gehört und Ende März 2019 Reichenbach in Richtung Ebersbach verließ, ist Teil seiner Geschichte. Die Wahrheit jedenfalls ist: Von Reichenbach an der Fils nach Ebersbach an der Fils ist es nicht so weit wie vom britischen Malmesbury nach Singapur.