Die Hamburger Elbphilharmonie im Sonnenaufgang. Foto: dpa - dpa

Die voreilig hochgelobte Akustik der Hamburger Elbphilharmonie ist wohl nicht mehr zu retten, vermutet Oliver Stortz. Doch an peinlichen Prestigeprojekte herrscht auch anderswo kein Mangel. Höchste Zeit, neu zu denken.

StuttgartDie Elbphilharmonie ist ja neuerdings kaputt. Eigentlich schon immer – hat sich nur keiner getraut, das zu sagen. So wie im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern. Da spricht ein Kind aus, was keiner sonst auszusprechen wagt: Das neue Gewand des Kaisers ist nicht sagenhaft schön, sondern unsagbar unsichtbar – weil nämlich eine illustre Illusion. So ist es mit der „Elphi“ nicht. Die existiert – rein materiell. Kann jedes Kind prüfen, indem es gegen den Klinker klopft. Und so war es denn auch kein unartiger Bengel, der jüngst die nackte Wahrheit über das neue Wahrzeichen aussprach, sondern der Tenor Jonas Kaufmann: Die Akustik in dem Konzerthaus sei nicht sagenhaft, sondern unsäglich. Kaufmann sprach’s – und plötzlich wollten’s alle schon gewusst haben. Was den Verdacht nährt, dass die Lobeshymnen auf den japanischen Soundguru Yasuhisa Toyota, Vater des Raumkonzepts, nicht nur voreilig, sondern wohl auch das Wohlklingendste waren, was die Elbphilharmonie je hervorbringen wird. Der Stolz der Hanseaten: ein Ohrkrepierer.

Nun darf man so ein akustisches Waterloo nicht dramatisieren. Peinliche Prestigeprojekte gibt es allerorten. Berlin besitzt einen Flughafen, auf dem man weder starten noch landen kann. Und Stuttgart gräbt sich eine Grube für einen Bahnhof, der planerisch aus dem vergangenen Jahrhundert stammt – vielleicht aber erst im nächsten fertig wird.

Querdenken wäre eine zeitgemäße Tugend. Die Elbphilharmonie taugt als Terminalgebäude womöglich besser denn als Konzertsaal: Parkhaus ist schon da, Jets könnten auf der Elbe wassern. Auf der Rollfeldbrache des BER ist derweil Platz für Hunderte Bahnsteige. Oberirdisch! Von Mineralwasser keine Spur! Und in Stuttgart, wo eh verzweifelt ein Interimsquartier für die Oper gesucht wird, könnte Herr Toyota im Untergrund eine zweite Chance bekommen. Heißt ja nicht umsonst: Nichts ist unmöglich.