Moritz Osswald Foto: Bulgrin - Bulgrin

Was ist eigentlich typisch Deutsch? Moritz Osswald beschreibt seine Beobachtungen über das Deutschsein. In zweiten Teil geht es unter anderem um das Duzen und Siezen.

EsslingenDie Reise durch die hiesige kulturelle Identität geht weiter. Denn die Erforschung der Irrungen und Wirrungen der deutschen Charakterstruktur ist noch lange nicht vorbei. Was ist das eine, konstante Dilemma im Berufs- und Privatleben? Richtig, das Siezen. Beziehungsweise Duzen. Bei der englischen Sprache gestaltet es sich mit dem unisono gebrauchten „you“ ziemlich einfach. Im Deutschen ist es nicht immer einfach, die Grenze zwischen Förmlichem und Kumpelhaftem auszuloten.

Das Paradebeispiel hierfür: Loriots Sketch mit dem „Kosakenzipfel“. Als Berufseinsteiger hat man mit derartigen Herausforderungen zu kämpfen. So wird der ein oder andere Praktikant in der Medienbranche mitunter verunsichert: „Ja, hier beim Fernsehen geht es ganz lässig zu. Prinzipiell duzen sich alle“, sagt da eine Redakteurin. Richtig, prinzipiell. Bis man auf einen griesgrämigen Kollegen trifft, dem man ansieht, dass er schon vor 20 Jahren den Beruf hätte wechseln sollen.

Doch der Deutsche braucht nicht nur bei der Arbeit Regeln und Richtlinien, auch beim Entspannen geht es nicht ohne. „Draußen nur Kännchen“: Ein Sinnbild für die unglaubliche Übergenauigkeit und den narrenhaften Normenfetischismus der Deutschen. Gemeint ist damit die Vorschrift, die es früher in vielen Cafés gab, im Außenbereich nur Kännchen und keine Tassen zu servieren. Sicher, die Laufwege für das Personal sind kürzer. Aber ein Gschmäckle bleibt.

Aber Normenfetischismus ist doch nicht nur typisch deutsch. Da gibt es die „Gurkenkrümmungsverordnung“ oder die „Bananenmarktordnung“. Da ist Deutschland fein raus, denn die Verordnungen kommen von der Europäischen Union. Die „Bananenmarktordnung“ wurde eingeführt, um laut Bundeszentrale für politische Bildung „die Konkurrenzfähigkeit der in Spanien und in verschiedenen ehemaligen französischen Kolonien in Übersee produzierten Bananen gegenüber den von US-amerikanischen Unternehmen dominierten Importen aus Süd- und Mittelamerika zu stärken.“ Da haben wir mal wieder etwas gelernt.