Thomas Krazeisen. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Von Thomas Krazeisen

Alle reden von der Renaissance des Nationalstaats und der Regionen. Aber das richtige autonome Feeling kommt doch erst auf, wenn man die Volksgemeinschaft dort spürt, wo der Horizont eng, der Tellerrand ein Sichtschutz ist und es noch ein echtes „mir send mir“-Gefühl gibt - kurz: wo man am liebsten unter sich bleibt. Und tief im Herzen - das heißt ja für den Schwaben allemal auch: im Geldbeutel - spüren wir, seien wir ehrlich: Wir sind alle kleine Puigdemonts. Und den kleinen Putsch-Kamm könnte einem allein schon die Tatsache schwellen lassen, dass das erweiterte Neckarschwaben, also das Katalonien Deutschlands, seit Jahren Nettozahler im deutschen Länderfinanzausgleich ist. Und wie zur Belohnung für die brave Subventionierung der Faulenzerei in anderen Bundesländern darf man durch die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen nach den Moneten künftig noch die Kompetenzen nach Berlin abgeben - der Zentralstaat lässt schön grüßen.

Höchste Zeit, den Katalanen in uns zu entdecken. Aber wenn schon Separatismus, dann konsequent. Esslingen zum Beispiel. Warum noch mit Freiburgern, Karlsruhern oder gar den Stuttgarter Milliarden-Vergräbern in einer faden Südweststaatsuppe schwimmen? Seit mehr als 200 Jahren ächzt die ehemals stolze freie Reichsstadt nun schon unter dem Joch der Württemberger, und dass vor 65 Jahren auch noch die gesamten Badener draufgesattelt wurden, macht die Sache nicht besser. Höchste Eisenbahn also, die Historische Bürgergarde an der Grenze zu Stuttgart aufmarschieren zu lassen und die Unabhängigkeit auszurufen? Selbstverständlich würde separatistische Solidarität dann auch für die bei der Gebietsreform 1974 unterworfenen Berkheimer und Zeller gelten: Sie erhielten ihre Souveränität zurück.

Ein hübsches Gedankenspiel über den Charme regionaler und subregionaler Identitäten, hinter denen sich häufig genug nur kollektiver Egoismus versteckt. Schon die Kern-Esslinger wären keineswegs einträchtig. Freunde mittelalterlichen Kopfsteinpflasters und Stolperfallen-Bedenkenträger, Freiflächen erobernde Immobilienritter und naturschützende Anrainer, Radler auf dem Neckaruferweg und verängstigte Fußgänger stehen sich heute - dem Zeitgeist gemäß - unversöhnlich gegenüber. So hätten wir am Ende - ohne Berkheimer und Zeller - nicht ein, sondern 80 000 auf ihre Selbstbestimmung pochende Gemeinwesen. Eine kleinkarierte Republik kompromissloser Partikularisten: Und das wäre das Modell für die Zukunft Europas?