Klaus Harter. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Von Klaus Harter

Das Spiel ist beliebt, wobei es eigentlich gar kein Spiel ist, und schon gar nicht spaßig für die Betroffenen. Es geht darum, dass Menschen gelegentlich Sündenböcke suchen, wenn sie selbst etwas verbockt haben. Allzu häufig trifft es die Kleinen. Die Verantwortlichen des Bahnprojekts Stuttgart 21 müssen erklären, warum der Bau des unterirdischen Bahnhofs und der Neubaustrecke um eine Milliarde Euro teurer wird. In der Aufzählung der Kostentreiber fehlen sie natürlich nicht, die Kleinen. Genauer gesagt, die Eidechsen und Käfer. Von denen leben welche dort, wo die Bahn bauen will. Weil der Gesetzgeber festgelegt hat, dass mit dem Verlust des Lebensraums nicht einfach ihre Existenz beendet ist, müssen sie eingefangen und umgesiedelt werden. Das läuft unter dem Stichwort Artenschutz. 2000 bis 4000 Euro kostet es beispielsweise, eine Eidechse einzufangen und sie in einem neuen Lebensraum wieder anzusiedeln. Als Gesamtsumme für den Artenschutz taucht häufig die Zahl 15 Millionen Euro auf. Wer aber ernsthaft behauptet, die Ausgaben für den Artenschutz verteuern das Großprojekt, hat ein Problem mit den Nullen. Davon hat eine Milliarde neun Stück, eine Million nur sechs. Die 15 Millionen Euro machen also sage und schreibe 1,5 Prozent der Mehrkosten aus. Vielleicht sollten die Kleinen bei der Suche nach Sündenböcken ausnahmsweise mal außen vor bleiben.