Dagmar Weinberg. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Von Dagmar Weinberg

Dass sie der Deutschen liebstes Haustier ist, zeigt nicht nur ein Blick in die mit allerlei Leckerlis gefüllten Supermarktregale. Der Buchhandel hat jede Menge Katzenliteratur parat - von schlichten Ratgebern bis hin zu „Goldenen Worten“, in denen Daniel Defoe, Pablo Picasso und viele andere Künstler und Literaten einen literarisch-philosophischen und manchmal auch verklärten Blick auf die Stubentiger werfen. So behauptet etwa Defoe: „Wer eine Katze hat, braucht das Alleinsein nicht zu fürchten.“ Und für Picasso sind die Samtpfoten die „rücksichtsvollsten und aufmerksamsten Gesellschafter, die man sich wünschen kann“. Guy de Maupassant ist da schon deutlich näher an der Realität: „Sie geht, wohin es ihr gefällt, besucht ihr Haus nach ihrem Wohlbefinden, kann sich in allen Betten zum Schlafen ausstrecken . . .“

Dass sich unsere Katze mal ein oder zwei Tage nicht zuhause blicken lässt, nehmen wir inzwischen ganz gelassen. Irgendwann treibt sie der Hunger schon wieder heim. Ist aber nach vier oder fünf Tagen noch immer keine Spur von ihr zu sehen, werden wir langsam unruhig. Da helfen auch Geschichten von Katern, die nach einem sechsmonatigen Streifzug wohlbehalten wieder vor der Tür ihrer Versorger saßen, wenig - zumal es meistens die Nicht-Katzenbesitzer sind, die derlei Anekdoten zum Besten geben. So machen wir uns schicksalsergeben zu später Stunde, rufend und mit der Futterdose klappernd, auf den Weg. Wir horchen an Garagentüren und Scheunentoren, durchkämmen das Unterholz, leuchten mit der Taschenlampe in dunkle Ecken, durchstreifen Straßen, in denen wir noch nie zuvor waren, und plakatieren jeden verfügbaren Laternenmast mit dem Steckbrief unseres Lieblings.

Fast haben wir die Hoffnung schon aufgegeben, als nach zwei Wochen in aller Herrgottsfrühe das Handy klingelt. Wenig später überreicht uns eine nette Nachbarin unseren zwar etwas abgemagerten, zum Glück aber völlig unversehrten und laut schnurrenden Tiger. Den hatte sie friedlich schlafend auf ihrer Terrasse entdeckt. Dass unsere Mitbewohnerin seither äußerst anhänglich ist, dürfte aber weniger ihrer tiefen Verbundenheit als vielmehr den gut gefüllten Futternäpfen und dem nahenden Winter geschuldet sein.

Denn machen wir uns nichts vor: „Die Katze ist das einzige vierbeinige Tier, das dem Menschen eingeredet hat, er müsse es erhalten, es brauche aber dafür nichts zu tun“, hat der Schriftsteller Kurt Tucholsky das wahre Wesen der Samtpfoten auf den Punkt gebracht. So richten wir uns schon jetzt darauf ein, dass spätestens im kommenden Frühjahr die nächste nächtliche Suchaktion ansteht.