Jan Geißler über ein Treffen mit Fernschach Großmeister und einer schachspielenden Hawaiianerin.
EsslingenWährend der Sommermonate, das muss ich zugeben, fehlt mir meistens die Motivation für Spieleabende. Da verbringe ich meine Freizeit lieber irgendwo in der Natur. Jetzt, in der kalten Jahreszeit, wo es draußen früher dunkel und ungemütlich kalt wird, ist das etwas anderes. Da greift man dann doch wieder häufiger zum Brettspiel, ich vorzugsweise zum Schachbrett.
Ich dürfte zehn Jahre alt gewesen sein, als ich erstmals mit dem Schachsport in Berührung kam: Meine Schwester und ich hatten zu Weihnachten die Schach-Lernsoftware Fritz & Fertig – eine CD-ROM, die das Schachspielen spielerisch vermitteln sollte – geschenkt bekommen. Eine gute Sache. Auf unserem damals noch von Windows XP betriebenen Computer lernten wir so Schritt für Schritt, den gegnerischen König schachmatt zu setzen.
Heute, ein paar Jahre später, würde ich mich dennoch weder als besonders guten noch regelmäßigen Schachspieler bezeichnen. Was jedoch nichts daran ändert, dass ich im Laufe meines Lebens immer wieder interessanten Schachspielern über den Weg gelaufen bin. Zum Beispiel vor drei Jahren, als ich während des Studiums für ein Praxissemester nach München durfte. Dort traf ich für eine Reportage Hans-Dieter Wunderlich, einen sogenannten Großmeister im Fernschach. Der damals 63-jährige Münchner spielt in seiner Freizeit 30 bis 40 Partien gleichzeitig und hat für einen Zug fünf Tage Bedenkzeit. Ansonsten folgt das Spiel exakt denselben Regeln wie übliches Schach. Wunderlich sprach damals von einer wissenschaftlichen Disziplin, die ausschließlich am Computer stattfindet. Allein das WM-Finale zog sich über einen Zeitraum von zwei Jahren – mehr als 600 Stunden Zeit hat er hierfür investiert. Gewaltig.
Noch spannender fand ich allerdings eine Begegnung im vergangenen Jahr: Kurz vor Weihnachten war ich mit meiner Schwester nach Kauai geflogen. Über Airbnb hatten wir auf der hawaiianischen Insel ein kleines Zimmer im Haus einer kleinen Familie (Mutter mit zwei Töchtern) gebucht. Lustigerweise stellte sich heraus, dass die jüngere der beiden Töchter ein großer Schach-Fan ist und händeringend nach neuen Spielpartnern suchte. Mutter Luna war längst kein ernstzunehmender Gegner mehr für die Kleine, weshalb die Gäste aus Übersee herhalten mussten: Und so saß ich eben auf Kauai und spielte mit einer Elfjährigen Schach. Natürlich mit Erfolg, obwohl ich – anders als Wunderlich – keine fünf Tage Bedenkzeit hatte.