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Nach einem der unglaublichsten Rennen in der WM-Geschichte schmiss Deutschlands Top-Langläufer trotz des Happy Ends seine Ski zunächst wütend in die Ecke und verfluchte den Wetter-Gott, der den Traum vom ersten Titel seiner Karriere zunichte gemacht hatte. "Ich bin glücklich über die Medaille, aber auch traurig, weil es ein perfektes Rennen war", beschrieb Angerer seine gespaltenen Gefühle nach dem vom Wetter-Chaos beeinträchtigten 15-km-Rennen, in dem Biathlet Lars Berger aus Norwegen vor dem bislang unbekannten Weißrussen Leonid Karnejenko triumphierte.
Ausgerechnet die zum Schluss gestarteten Top-Läufer mussten auf den ersten Kilometern gegen den plötzlich aufgezogenen Schneesturm ankämpfen und verloren bis zur Hälfte des Rennens viel Zeit. "Ich habe noch nie so viel Schnee gesehen. Eigentlich hatte ich keine Chance, aber die wollte ich nutzen. Ich habe alles versucht und hatte eine gute Moral, denn ich wollte diese Medaille unbedingt", berichtete der Weltcup-Spitzenreiter aus Vachendorf.
Bereits am Start hatte er sein Kämpferherz in beide Hände genommen und den widrigen Bedingungen getrotzt. "Ich habe jeden Strohhalm ergriffen, den es in solch einer Situation gibt. Und ich hatte Glück, dass die Ski trotz der langsamen Neuschnee-Strecke gut gewachst waren", sagte Angerer. Er hatte den entscheidenden Motivationsschub von Axel Teichmann erhalten, der Fünfter wurde. "Axel hat gesagt: Glaube an deine Chance und ziehe es durch." Allerdings habe er erst an eine Medaille gedacht, als der Schneefall bei Kilometer 7,5 aufhörte - so plötzlich, wie er gekommen war. "Da habe ich gemerkt, dass ich Gas geben konnte", erzählte der 29-Jährige.
Auch Weltmeister Berger, der als erster Biathlet bei den Spezialisten einen Einzeltitel gewann, zollte Angerer Respekt. "Mit meiner Startnummer habe ich mich wie ein Lotto-Millionär gefühlt. Ich denke, Tobias ist der moralische Sieger", erklärte der Norweger. Der war als 55. von 121 Teilnehmern gestartet und setzte sich in 35:50,0 Minuten vor Karnejenko (+35,8 Sekunden) durch. "Den habe ich schon mal rumlaufen sehen", scherzte Angerer über den völlig unbekannten Weißrussen. Der hatte das Ziel bei Top-Bedingungen bereits erreicht, als Angerer noch nicht einmal gestartet war. Bergers Leistung wollte der Vachendorfer nicht schmälern: "Er hat die guten Bedingungen perfekt genutzt und verdient gewonnen."
"Wir sind eine Freiluftsportart"
Dennoch fühlte sich der Bayer benachteiligt und regte eine Regeländerung an. "Die besten Biathleten können sich aussuchen, in welcher Startgruppe sie starten wollen. Vielleicht sollte die FIS das auch im Langlauf einführen. So, wie es gelaufen ist, war es unfair", erklärte Angerer. FIS-Renndirektor Jürg Capol erteilte dem Vorschlag aber umgehend eine Absage. "Bei diesem Modus ist nach dem 20. Starter die Spannung aus dem Rennen heraus", sagte der Schweizer.
Auch Bundestrainer Jochen Behle regte eine Regeländerung an. "Dann muss man eben einen Massenstartwettbewerb daraus machen, da haben alle die gleichen Chancen", betonte der Coach, nachdem es schon zum dritten Mal in diesem Winter bei einem Einzelrennen für die Weltcup-Besten die schlechtesten Bedingungen gegeben hatte. Auch er hatte unter normalen Umständen Angerer vorn gesehen. "Es wäre wohl zu einem Einlauf Angerer vor Teichmann gekommen. Um Platz drei hätten der Russe Legkow und Franz Göring gekämpft", prognostizierte Behle.
Mit Galgenhumor sah Doppelverfolgungs-Weltmeister Teichmann den Rennausgang. "Wir sind nun mal eine Freiluftsportart und müssen damit leben. Der einzigen, der heute ein Vorwurf zu machen wäre, ist Frau Holle", sagte der Bad Lobensteiner.
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