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In Moskau begannen Verhandlungen zur Beendigung der russisch- weißrussischen Ölblockade, eine Beilegung des Streits war aber nicht in Sicht. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte zuvor nach scharfer Kritik aus Berlin und Brüssel die Wahrung der Interessen europäischer Abnehmer angemahnt und seine Regierung aufgefordert, den Streit mit Minsk zu lösen. Der Kremlchef machte keine aber Angaben, wann wieder russisches Öl in Richtung EU gepumpt werden könnte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte in Berlin, es werde Vertrauen zerstört, wenn ohne Konsultationen ein derartiger Schritt erfolge. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sprach von einem "inakzeptablen und beunruhigenden" Vorgang.
Deutschland und zahlreiche weitere europäische Länder hofften gestern vergeblich auf die Wiederaufnahme der russischen Erdöllieferungen durch die blockierte "Druschba"-Pipeline. Allerdings bekräftigten Experten und Mineralölkonzerne, die Versorgung sei gewährleistet.
Die großen ostdeutschen Raffinerien in Schwedt und Leuna arbeiteten weitgehend normal, lediglich bei PCK Schwedt wurde die Produktion vorsorglich um zehn Prozent gekürzt. Das Unternehmen erwartet zwar für heute die Ankunft eines Tankers mit 80 000 Litern Rohöl in Rostock. "Wir bekommen über Rostock aber nicht so viel wie über die Druschba, deshalb strecken wir die Vorräte", sagte Sprecher Karl-Heinz Schwellnus. Dies sei eine Vorsichtsmaßnahme.
Betroffen von den Lieferausfällen sind neben Deutschland und Polen Tschechien, die Slowakei und Ungarn. Alle Länder haben Reserven für mindestens knapp drei Monate. Zudem betonten Experten, es könne relativ problemlos auf dem Weltmarkt zugekauft werden. Dabei hilft auch der warme Winter. Der Ölpreis fiel zeitweise auf den niedrigsten Stand seit Juni 2005.
Putin schloss vor dem Hintergrund fehlender Exportkapazitäten auch die Drosselung der russischen Ölförderung nicht aus. Beobachter werteten dies als Zeichen dafür, dass Moskau mit dem längeren Andauern des Energiestreits rechnet. Aus russischen Diplomatenkreisen hieß es am Dienstag, entweder werde der Streit innerhalb von 24 Stunden beigelegt oder er dürfte sich über Wochen hinziehen. Einen Tag nach dem Lieferstopp für Abnehmer in der EU beschuldigten sich Weißrussland und Russland gegenseitig, die Blockade der Pipeline ausgelöst zu haben. Auslöser für den Streit zwischen den Ex-Sowjetrepubliken ist die Entscheidung des Kremls, die Subventionierung Weißrusslands durch billige Öl- und Gasexporte zu beenden.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) hat an die Parteien appelliert, den ideologischen Ballast in der Atomfrage über Bord zu werfen. Die Blockade der Ölpipeline in Richtung EU mache deutlich, dass Deutschland "generell Abhängigkeiten nicht verstärken" sollte, sagte er dem Konstanzer "Südkurier". Oettinger zeigte sich überzeugt, "dass es in diesem Jahrhundert zu einer Produktion von Strom zuallererst aus erneuerbaren Energiequellen kommt." Im Südwesten sieht der Regierungschef "große Chancen" für die Geothermie. Das brauche jedoch etwa 15 Jahre Zeit. Deshalb sei es sinnvoll, die Kernkraftwerke so lange laufen zu lassen.
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