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Der umstrittene Begriff Verfassung wird nicht verwendet. Der knapp dreiseitige Text umreißt die Entstehung, die Werte und die künftigen Herausforderungen der EU. Der Entwurf der Berliner Erklärung, der gestern in Brüssel bekannt wurde, soll von den Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten bei einem Festakt an diesem Sonntag in Berlin angenommen werden. Über die Zukunft des auf Eis gelegten Verfassungsvertrages soll konkret erst von Mai an - nach den französischen Präsidentschaftswahlen - beraten werden. Franzosen und Niederländer hatten 2005 Nein zu dem Vertragswerk gesagt. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die zur Zeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, will den Kern der Verfassung erhalten. In einem Beitrag für den Berliner "Tagesspiegel" schrieb sie, Europa brauche "substanzielle Neuregelungen, wie sie im Entwurf des Verfassungsvertrages enthalten sind". Die EU müsse ihre Handlungsfähigkeit ihrer neuen Größe mit 27 Mitgliedstaaten anpassen.
Beim Formulieren der Berliner Erklärung wurde das Wort "Verfassung" bewusst vermieden, damit man nicht jetzt schon eine Stellvertreterdebatte über den umstrittenen Vertrag führen müsse, verlautete aus Regierungskreisen. "Wir haben den Streit über die Verfassung vertagt auf den Sommer", hieß es. Ende März will die deutsche EU-Ratspräsidentschaft Sondierungen in den Hauptstädten aufnehmen, ab Mitte Mai beginnt die heiße Verhandlungsphase. Bei ihrem Abschlussgipfel Mitte Juni will sie dann einen Fahrplan vorlegen, wie die Verfassung bis zur Europawahl 2009 stehen kann. Der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker äußerte im Rundfunk die Hoffnung, dass der Verfassungstext bis Jahresende stehe. Er plädierte dafür, das Dokument "Europäischen Grundvertrag" zu nennen. EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering zeigte sich in einem Interview mit unserer Berliner Redaktion zuversichtlich, dass es zu einer Verfassung kommen werde. Die Berliner Erklärung sei eine wichtige psychologische Voraussetzung für Fortschritte bei den Reformen.
"Wir haben uns bemüht, den Text aus der Sicht der Bürger zu schreiben", hieß es aus Regierungskreisen. Das finde sich in der vielfachen Verwendung des Wortes "Wir". Am Ende des ersten Absatzes heißt es: "Wir Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union sind zu unserem Glück vereint." Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle nannte die Erklärung "enttäuschend unkonkret".
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