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Von Jörg Fischer Bagdad
- Der Personenkult um Saddam Hussein war selbst für orientalische Verhältnisse ungewöhnlich. Auf mächtigen Standbildern ließ sich der irakische Diktator in Stein meißeln, Dutzende märchenhaft ausgeschmückte Paläste im ganzen Land errichten und fast ein Vierteljahrhundert lang in hunderten Lobeshymen als Erbe des babylonischen Königs Nebukadnezar und weisen Führer preisen. Mehr als drei Jahre, nachdem er durch die US-geführte Militärinvasion vom Thron gestoßen wurde, endete er im Morgengrauen am Samstag im Alter von 69 Jahren als einfacher "irakischer Bürger" am Galgen.
Ausgeklügeltes Spitzelsystem
Schon in frühester Kindheit lernte Saddam die für seinen späteren Aufstieg entscheidenden Prinzipien kennen: Skrupellosigkeit und Familienbande. 1937 wurde er in Audscha in der Nähe der Stadt Tikrit am Tigris nördlich Bagdads geboren - nach westlichen Recherchen als uneheliches Kind. Er wuchs in einer Sippe landloser Bauern auf, deren Angehörige sich teilweise als Banditen und Kleinkriminelle über Wasser hielten. Schon als 19-Jähriger erschoss Saddam nach Angaben seiner Biografen einen rivalisierenden Banditen.
Als Spezialist für die Beseitigung von Gegnern in der arabisch-nationalistischen Baath-Partei, der er sich 1957 anschloss, stieg Saddam auf. Nachdem die Baath 1968 endgültig an die Macht gelangt war, sorgte er als Vize-Generalsekretär seiner Partei maßgeblich mit dafür, dass für die Menschen in dem an Erdöl reichen Land "goldene 70er Jahre" anbrachen. Gleichzeitig baute er ein ausgeklügeltes Spitzelsystem auf, das ihm später seine jahrzehntelange Herrschaft sicherte.
1979 wurde Saddam, der sich schon zuvor zum Feldmarschall ernennen ließ, Baath-Generalsekretär, Staatsoberhaupt und Oberkommandierender der Streitkräfte. Seine Macht sicherte er mit eiserner Faust. Dabei setzte er vor allem auf Angehörige seines Familienclans. Aber Politiker oder Offiziere selbst aus der eigenen Familie, die ihm gefährlich zu werden drohten, ließ der "Herrscher von Bagdad" ohne Federlesen beseitigen. Schiiten und Kurden bekämpfte er unbarmherzig und ließ Tausende seiner Opfer in Massengräbern verscharren. Er selbst überlebte mehrere Attentatsversuche. Kritiker betitelten ihn mit Schimpfnamen wie "Schlächter von Bagdad" oder "Größenwahnsinniger". Dennoch hielten ihm nicht nur die anderen arabischen Potentanten, sondern auch die westlichen Regierungen lange die Stange.
Krieg gegen den Gottesstaat Iran
Besessen von der Idee, wie sein mittelalterliches Vorbild und Landsmann Sultan Saladin als heroischer Herrscher in die arabischen Geschichtsbücher einzugehen, zog Saddam schon ein Jahr nach dem Amtsantritt gegen den Gottesstaat Iran in einen blutigen Krieg (1980- 1988). Es folgte 1990 die irakische Besetzung Kuwaits, die im folgenden Jahr durch den Golfkrieg beendet wurde, den Saddam martialisch "Mutter aller Schlachten nannte. Kriegsschulden von 80 Milliarden US-Dollar und ein jahrelanger UN-Boykott stürzten die Bevölkerung des Landes in bittere Armut.
Sturz im April 2003
Sein für die USA offensichtliches Streben nach Massenvernichtungswaffen brach ihm schließlich das Genick. Hatten die Amerikaner im Golfkrieg noch davor zurückgeschreckt, ihm endgültig den Garaus zu machen, stürzten sie den einstigen Verbündeten im Kampf gegen die Vorherrschaft des Irans nun im April 2003. Saddam konnte fliehen. Am 14. Dezember 2003 spürten ihn US-Soldaten auf einem Bauernhof in der Nähe seines Heimatortes auf, zogen ihn aus einem Erdloch und präsentierten ihn als gebrochenen Mann mit langem Bart und Blut unterlaufenen Augen im Fernsehen.
Seinen im Oktober 2005 begonnenen Prozess nutzte Saddam immer wieder zu Hasstiraden gegen die "ausländischen Besatzer". Gebetsmühlenartig wiederholte er: "Ich bin immer noch der rechtmäßige Präsident des Iraks" - trotz der Gewissheit, dem Galgen nicht entkommen zu können. Seine letzte Ruhestätte fand er wieder bei seiner Sippe - auf dem Friedhof des Bauerndorfs Audscha nahe Tikrit.
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