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Von Mirjam Stöckel Brüssel
- Aller guten Dinge sind vier - zumindest, wenn man Angela Merkel heißt und am 1. Januar 2007 die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Denn die Bundeskanzlerin hat sich für ihre sechsmonatige Amtszeit vier große Schwerpunkte ausgeguckt, in denen sie die EU voranbringen will: um die Zukunft von Wirtschafts-, Ökologie- und Sozialmodell soll es gehen, um Fragen von Freiheit, Sicherheit und Justiz, um die europäische Außen- und Erweiterungspolitik - und um einen Brüsseler Dauerbrenner, das EU-Verfassungsprojekt.
In einem 25-Seiten-Papier, betitelt mit "Europa gelingt gemeinsam", erläutert die Bundesregierung, welche konkreten Projekte sie dabei plant. So wird sie an einem Maßnahmenpaket für mehr Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze sowie am Bürokratieabbau arbeiten. Grenzüberschreitende Kriminalität und internationaler Terror sollen bekämpft und die Beziehungen zu Russland und Zentralasien verbessert werden.
Das alles ist lediglich ein kleiner Teil aller geplanten Aktionen - und jeder in Brüssel und Berlin weiß: Will Deutschland seine Ziele auch nur ansatzweise erreichen, wird das harte Arbeit. "Wir kennen die Erwartungen, die an uns gestellt werden", sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier vor ein paar Tagen. "Sie sind hoch." Hoffnungsträger ist Deutschland vor allem, was den Verfassungsprozess betrifft. Da tut sich nämlich bekanntlich fast nichts, seit Franzosen und Holländer den Verfassungstext im Sommer 2005 abgelehnt haben. Und bis heute weiß noch niemand so recht, wie es mit dem einstigen Lieblingsprojekt der EU-Regierungen weitergehen soll. Bevor nicht im Frühsommer ein neuer französischer Präsident gewählt und dessen Position zu einer EU-Verfassung bekannt ist, lässt sich in dieser Frage auch nichts Verbindliches entscheiden.
Nicht viel Handlungsspielraum
Angela Merkel und ihre Minister haben also beim Verfassungsproblem erst mal nicht viel Handlungsspielraum - den aber wollen sie konsequent nutzen: In den ersten Wochen der Präsidentschaft solle jede Regierung einen Ansprechpartner, quasi einen Verfassungs-Beauftragten, benennen, so Merkel beim EU-Gipfel Mitte des Monats, und mit dem werde dann verhandelt. Diese Gespräche sollen laut Außenminister Steinmeier zu einem Vorschlag führen, den alle EU-Staaten unterstützen, und letztlich zu "inhaltlichen Konturen und einem weiteren Fahrplan für die Verfassung".
Wie hoch die Erwartungen der übrigen EU-Staaten an die deutsche Ratspräsidentschaft sind, zeigt sich auch am Beispiel Umweltpolitik: So forderte bereits im Oktober Margaret Beckett, Außenministerin der nicht gerade als Ökos verschrieenen Briten, Deutschland müsse während seines EU-Vorsitzes deutliche Fortschritte in einer weltweiten Klimaschutzpolitik erreichen. Ähnliche Töne kamen - weniger überraschend - bereits mehrfach von den Grünen im Europäischen Parlament in Straßburg. "Wir erwarten von der deutschen Ratspräsidentschaft einen mutigen und zukunftsorientierten Vorschlag für eine gemeinsame Energiepolitik", betonte die EU-Abgeordnete Rebecca Harms mit Blick auf den drohenden Klimawandel. "30 Prozent weniger CO2-Ausstoß europaweit bis 2020 sind das absolute Minimum. Um das zu erreichen muss die EU endlich wirklich ehrgeizige Maßnahmen ergreifen."
Viel Arbeit und hohe Ansprüche also, die von Januar an in Brüssel auf die deutsche Bundesregierung warten. "Wir werden keine Wunder vollbringen können", hat Bundesaußenminister Steinmeier noch kürzlich gewarnt. Und genau deshalb hat Berlin das eigene Arbeitsprogramm von vornherein mit Portugal und Slowenien abgesprochen, die anschließend den EU-Vorsitz übernehmen. Nur für den Fall, dass Angela Merkel und ihre Minister nicht alle selbst gesteckten Ziele erreichen - dann sollen die anderen da weitermachen, wo Deutschland Ende Juni 2007 aufhört.
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