Im Kreis der Schüler fühlt sich Vea Kaiser sichtlich wohl. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Vea Kaiser hat sich viel Zeit genommen, um die Georgii-Gymnasiasten mit ihrem neuen Buch vertraut zu machen. Hinterher stellte sich die junge Autorin einigen der Schüler zu einem Interview.

Wie kamen sind Sie zum Schreiben?

Kaiser: Ich mag Schreiben nicht, ich hasse es. Mir geht es wie Dorothy Parker, die mal gesagt hat: ,,I hate writing, but I love having written.“ Du sitzt ewig allein zuhause, schreibst in deinen Computer irgendetwas, von dem du eigentlich nicht weißt, ob es völlig geistesgestört oder genial ist. Es ist also im Vergleich zu den anderen Möglichkeiten, seine Zeit zu verbringen, ziemlich asozial. Aber mir ging es immer um Geschichten. Also ganz banal darum: Was kann ich mit Geschichten machen? Einer der frühesten Momente, der mir einfällt: Mein Bruder war drei. Er war ein sehr aktives Kind, das immer gerannt ist. Irgendwann fiel er auf einen Treppenabsatz und hat sich das ganze Kinn aufgesprengt und stark geblutet. Meine Mutter war verzweifelt und fuhr mit uns zum Arzt. Mein Bruder hat sehr laut geschrien, ich saß bei ihm. Dann habe ich begonnen, ihm eine Geschichte zu erzählen. Er hat irgendwann zu weinen aufgehört und zugehört. Da war ich sechs Jahre alt und habe das erste Mal verstanden, was du mit Geschichten machen und wie du andere berühren kannst.

Sind in Ihrem Buch auch Textstellen, die Sie selber erlebt haben, oder ist alles ausgedacht?

Kaiser: Es ist schwierig, das auseinander zu halten, weil manches vollkommen ausgedacht ist, manches hört man, manches sind persönliche Erlebnisse. Die schlimmste Art von Literatur, die ich kenne, ist die sogenannte Bauchnabelprosa. Das ist, wenn ein Autor beim Schreiben die ganze Zeit seinen Bauchnabel anschaut und über seine vollkommen uninteressanten Probleme schreibt. In meinem zweiten Buch habe ich den großen Liebeskummer meines Lebens verarbeitet. Das hat dem Buch sicher sehr gutgetan, aber nicht genau so, wie es passiert ist. Das wäre uninteressant gewesen, weil die Geschichte, die ich erlebt habe, langweiliger ist. Im Buch ist alles viel spannender und spektakulärer. Aber von der Gefühlslage war es sicher etwas Erlebtes.

Was reizt Sie an Griechenland?

Kaiser: An Griechenland finde ich so spannend, dass es die Wiege unserer Kultur ist und wir so wenig darüber wissen. Jeder redet heute über die Finanzkrise, aber keiner von der Geschichte oder von der Kultur. Wenn du Geschichten erzählst, willst du den Leuten ja was erzählen, was sie nicht wissen. Bei mir im Buch geht es ganz stark um alles, was vor der Finanzkrise war: die Geschichte Griechenlands mit Bürgerkrieg und Militärdiktatur. Ich habe gemerkt, das wissen viele Leute nicht. Aber es ist wichtig, weil wir ein Europa sind und kulturell und wirtschaftlich zusammenhängen. Wenn man so zusammenhängt, muss man sich auch ein bisschen füreinander interessieren und einander verstehen. Das ist eine spannende Geschichte. Eleni, meine Heldin, konnte nur eine Griechin sein, weil ich kein anderes Volk in Europa kenne, das so viel über Politik redet.

Muss man sich beim Schreiben oft zusammenreißen, um am Schluss den gewünschten Erfolg zu haben?

Kaiser: Das Schreiben ist super mühsam. Ich bin eine Autorin, die nicht irgendwann schreiben kann. Bei mir funktioniert das nur, wenn ich mich morgens zwinge, mich hinzusetzen und zu schreiben. Das Internet ist dabei grundsätzlich ausgeschaltet. Ich habe da ein super Programm, welches mir den Internetzugang für die Zeit, in der ich schreiben muss, komplett blockiert, und mein Handy lege ich mit einer Leiter auf ein Bücherregal, sodass ich es in der Zeit nicht verwenden kann. Mit voller Disziplin funktioniert es, dass ich mich acht Stunden hinsetze und schreibe und nicht darauf warte, dass etwas passiert.

Haben Sie manchmal Schreibblockaden, sodass nichts mehr geht?

Kaiser: Ich glaube nicht an Schreibblockaden. Allerdings glaube ich, dass es Momente im Leben gibt, wo dich etwas Anderes so fertigmacht, dass du nicht ans Schreiben denken kannst. Zum Beispiel mein schlimmer Liebeskummer damals. Ich konnte nicht mehr schreiben, weil ich die ganze Zeit daran gedacht habe, dass ich nie wieder geliebt werde und dass mein Leben vorbei ist. Man hat in solchen Momenten Gedanken, die einen so ablenken, dass man nicht schreiben kann. Natürlich kommen einem auch manchmal einfach keine guten Ideen, aber man kann immer wieder das lesen, was man bereits geschrieben hat, oder noch einmal korrigieren und eine bessere Formulierung finden. Wenn das auch nicht mehr geht, kann man mit einem Synonymwörterbuch nach passenderen Wörtern suchen. Es ist ja nicht so, als hätte man nichts zu tun. Deshalb gibt es für mich keine Schreibblockaden.

Interview: Tobias Bazle, Anne Kalitzin, Basil Lorenz und Mirjam Maier