Quelle: Unbekannt

Von Alexander Maier

Wahre Freunde erkennt man in der Not - und dass beim VfB Stuttgart Not am Mann ist, wird keiner ernsthaft bestreiten. Und jetzt auch noch das: Ausgerechnet vor dem vielleicht wichtigsten Spiel der Saison wollen die Fans ihre Mannschaft nicht zum Auswärtsmatch nach Bremen begleiten. Nicht aus Protest gegen schwache und konsequent schöngeredete Leistungen der Spieler, was vielleicht noch verständlich wäre. Sondern um ein Zeichen gegen die Deutsche Fußball-Liga zu setzen, die am Montag spielen lässt, wenn der normale Fan kaum Chancen hat, zu Auswärtsspielen mitzureisen. Konsequenz ist ja schön und gut, aber die eigene Mannschaft ausgerechnet jetzt allein zu lassen, ist auch kein Heldenstück. In Bremer Kirchen sollen bereits die Kerzen knapp werden. So viele haben die grün-weißen Fans schon angezündet - aus Dankbarkeit für einen Gegner aus Stuttgart, der keine Gelegenheit auslässt, sich immer tiefer in den Schlamassel zu reißen. Und der vielen das Gefühl gibt, dass man den Ernst der Lage viel zu spät erkannt hat. Die Fans dürfen sich darüber nicht mal beklagen: Es sollte nicht wundern, wenn sie den Boykott von Bremen im trügerischen Gefühl der Sicherheit beschlossen hätten …

Vorstand, Mannschaft, Trainer und jetzt auch noch die Fans: In dieser Saison tun alle alles, um abzusteigen. Seit Monaten wird Schlechtes gutgeredet, Vergleiche mit den vergangenen Spielzeiten werden bemüht, und man tröstet sich damit, dass noch immer alles gut gegangen ist. Und der Trainer nährt solche Hoffnungen, indem er nach dem vergeigten Augsburg-Spiel verkündet: „Jetzt fighten wir und kämpfen und wehren uns.“ Und was war in den 30 Spielen zuvor?

Die Älteren erinnern sich noch daran, wie der VfB 1975 schon einmal abgestiegen ist. Fans wie ich standen bei Wind und Wetter auf der Tribüne, brüllten sich die Seele aus dem Leib, gingen wochenlang durch ein Wechselbad der Gefühle und mussten am Ende mit ansehen, wie alles den Bach runter ging. Und dass selbst ein Traditionsverein wie der VfB den sofortigen Wiederaufstieg nicht gepachtet hat, weiß man seit damals ebenfalls.

Es ist noch gar nicht lange her, da verkündeten die Stuttgarter Granden, sie hätten „jeden Stein umgedreht“, auf dass alles besser werde. Mittlerweile fragen sich viele, ob man damals vielleicht den Stein vergessen hat, unter dem sich der Präsident gern versteckt. Oder ob der Sportvorstand zu sehr mit dem Umdrehen anderer Steine beschäftigt war, um auch mal unter den eigenen zu schauen. Mögen sie auf dem Wasen noch so viel Zuversicht verbreiten - der Verein steht keinen Steinwurf vom Abgrund entfernt. Der kleinste Fehler kann verheerende Folgen haben. Und am Ende darf sich kaum einer beklagen, weil an diesem Abstieg viele ihren Anteil hätten. Nur dass die Spieler hinterher weiterziehen und gehaltstechnisch einen Aufstieg erleben könnten. Der wahre Fußball-Fan kann sein Trikot nicht so schnell wechseln.