Quelle: Unbekannt

Von Alexander Maier

Es soll ja Menschen geben, die träumen auch im vergleichsweise hohen Fußballer-Alter noch von einer Karriere. Ein Leben lang wurde man von den Talentspähern der großen Vereine schnöde übersehen, dabei würde man für seinen Verein alles geben. Und ein Millionengehalt würde man auch nicht verschmähen. Das ist ja heutzutage Teil des Spiels - und nicht einmal der unwichtigste. Auch ich gehöre zu den vielfach Verkannten. Dabei zeigte ich schon in der Schule durchaus Talent: Den ersten Jahren als dritter stellvertretender Klassentorwart folgte eine verheißungsvolle Zeit als Eisenfuß in der Abwehr. Kein Gegner kam an mir vorbei, und wenn er’s doch versuchte, hielt er sich hinterher das Schienbein. Damals fand das der Sportlehrer gar nicht lustig - heute nennt man so etwas in Fachkreisen „internationale Härte“. Was hätte aus mir werden können, wenn man mir nur die Chance gegeben hätte, mich zu beweisen? Und Stuttgart wäre vielleicht auch nicht abgestiegen, wenn sie’s vergangene Saison mit mir in der Abwehr versucht hätten. Schlechter als die anderen wäre ich auch nicht gewesen ...

Und jetzt, mit 56, soll alles für mich vorbei sein? Zumindest in den Sportarenen dieser Welt? Denkste! Denn ein Mann gibt mir Hoffnung, dass meine große Stunde erst noch schlägt: Cristiano Ronaldo. Seit ich ihn im Spiel gegen die Polen erlebt habe, bin ich mir sicher: Was der kann, kann ich auch. Diese hundertprozentige Chance, die er kurz vor Schluss der regulären Spielzeit freistehend vor dem gegnerischen Tor bekam, hätte ich mit Leichtigkeit ebenso versemmelt. Und das nicht nur einmal, sondern dutzendweise.

Unvermögen? Pustekuchen! RDie anderen sind schuld. Der Ball, die Mitspieler, der Rasen, das Wetter, der Luftdruck, die Fans, die aktuelle weltpolitische Lage oder der Sack Reis, der im selben Moment in Peking umgefallen ist - so ziemlich alles ist verantwortlich, wenn er einen Zuckerpass elegant auf den Fuß gezirkelt bekommt, der Gegenspieler auch noch ehrfürchtig den Weg freimacht. Und trotzdem trifft „CR7“ den Ball nicht. An einem Weltstar wie ihm kann es nicht liegen. Ronaldo weiß eben, wie man’s richtig macht. Und dank ihm weiß ich jetzt auch: Dass es bei mir bislang noch nicht zur großen Kicker-Karriere gereicht hat, lag nicht an mir, sondern nur an den widrigen Begleitumständen. Und ich bin mir sicher: Ronaldo und ich wären ein tolles Duo. Vielleicht nicht auf dem Rasen, aber spätestens nach dem Spiel, wenn wir der staunenden Weltöffentlichkeit wortreich erklären, warum die Portugiesen doch noch gegen die Polen erfolgreich waren: Das war selbstverständlich nicht nur Dusel - sondern unser beider Genialität.