Quelle: Unbekannt

Von Dagmar Weinberg

Zum Reisen gehöre nicht nur Geduld und Mut, sondern auch „guter Humor, und dass man sich durch widrige Zufälle, Schwierigkeiten, böses Wetter, schlechte Kost und dergleichen nicht niederschlagen lässt“, wusste schon Adolph Freiherr von Knigge. Der Großmeister des Taktgefühls und der Höflichkeit war zwar noch in Pferdekutschen unterwegs. Geduld und eine gute Portion Humor sollten Reisende aber auch heute mitbringen - und zwar vor allem, wenn sie als Berufspendler mit der Deutschen Bahn unterwegs sind.

Der Humor hat den Herrn im feinen schwarzen Anzug bereits verlassen, als er in Esslingen den Regionalexpress Richtung Tübingen besteigt. Denn die Bahn hat mal wieder all das auf die Schiene gesetzt, was gerade irgendwo so herumstand. Und das waren an diesem Tag hauptsächlich Waggons, in denen Fahrradfahrer und ihre Gefährte zwar viel Platz haben, für die übrigen Reisenden aber nur einige wenige Sitze mit etwas Komfort bereit stehen. Wer die Heimreise nach dem anstrengenden Arbeitstag nicht im Stehen verbringen will, quetscht sich also notgedrungen auf einen der unbequemen Klappsitze im Radabteil.

Dort hat sich auch der Herr im schwarzen Zwirn niedergelassen.„Sind wir hier eigentlich nur noch die Resterampe?“, entfährt es ihm vehement, als der Schaffner im Waggon auftaucht. „Wir zahlen inzwischen ein Heidengeld und jedes Jahr wird der Fahrpreis erhöht, aber der Service wird immer schlechter“, schimpft der Fahrgast und weiß sich in seiner Entrüstung der Zustimmung seiner Mitreisenden sicher.

„Sie haben völlig recht“, meint der Zugbegleiter und drückt dem verdutzten Passagier ein Kärtchen in die Hand. Auf dem steht eine Adresse, bei der Bahnkunden ihren Frust loswerden können. „Machen Sie ruhig ordentlich Dampf. Wenn wir was sagen, hilft das nämlich gar nichts“, erklärt der Zugbegleiter. Sobald er zuhause sei, werde er sofort einen geharnischten Brief aufsetzen, verspricht der Reisende. Bevor der Mann in Nürtingen aber den Regionalexpress verlassen kann, muss er erst einmal durch zwei Waggons rennen, um endlich eine Tür zu finden, die ihren Dienst nicht versagt. Denn auch beim Aus- und Einsteigen gilt: Die Bahn macht mobil.