Quelle: Unbekannt

Von Moritz Osswald

Die Mission: nach der Arbeit unversehrt und entspannt daheim ankommen. Die Werkzeuge: Fensterplatz und monotone Musik ohne Gesang. Das Hindernis: lauthals diskutierende Artgenossen der speziellen Spezies Fünftklässler. Ihre Geheimformel für argumentative Überzeugungskraft: Je lauter, desto besser.

Einer der demnach besten Redner im Busplenum reißt mich schlagartig aus dem Viervierteltakt. Ich merke schnell: Gegenstand der Diskussion ist der unrühmliche Verlust an Kopfdekoration. Verschiedenste Theorien geistern durch das hintere Busabteil. Seine basiert auf der Annahme, Haargel in jungen Jahren führe zu Haarausfall. Mitschüler stützten seine Behauptung innerhalb eines Sekundenbruchteils mit einem einleuchtenden „Doch, des isch wirklich so!“. Nur ein schüchterner schmächtiger Junge mit vollem blondem Haar scheint davon nicht ganz überzeugt.

Doch es scheint die plausibelste Erklärung zu bleiben. Panik breitet sich unter ihnen aus. Denn der Vater vom Soundso hat schließlich eine Glatze und hat früher Haargel benutzt. Die Theorie scheint nun mit unanfechtbarer Evidenz gespickt. Außerdem: irgendeine Facebookseite habe das mal gepostet. Welche und in welchem Kontext ist ja auch nicht so wichtig. Wenn es auf Facebook steht, muss es schließlich stimmen.

Die Mundwinkel der Nicht-Fünftklässler im Abteil verziehen sich zu einem leichten Grinsen. Auch ich kann der Versuchung nicht widerstehen. Doch die kollektive Panik scheint das ganz und gar nicht zu beruhigen. Hektische Kopfbewegungen, die Noch-Haarträger scheinen auf dem Zenit der Ohnmacht und Verwirrung angekommen zu sein. Ich schreite ein, die Runde seufzt erlöst auf. Der eiserne Haarexperte legt elegant eine rhetorische 360-Grad-Wende hin und verkündet: „Kuck, ich wusste es doch!“ Jeden Tag eine gute Tat. Mission erfüllt.