Eines muss man der Deutschen Bahn lassen: Wer auf der Strecke Tübingen - Stuttgart unterwegs ist, braucht über Langeweile nie zu klagen. Von ständigen Zugausfällen, Verspätungen und Streckensperrungen war erst kürzlich an dieser Stelle die Rede. Nun haben die Eisenbahner ihrer heiteren Pannenrevue eine weitere Attraktion hinzugefügt: Einige Passagiere, die jüngst mit der S-Bahn in Richtung Stuttgart unterwegs waren, wunderten sich schon beim Einsteigen in Kirchheim, Wendlingen und Wernau, dass der Zug ungewöhnlich lang war. Aber was soll’s: Hauptsache, er fuhr überhaupt. In Plochingen staunten sie allerdings nicht schlecht, als die S-Bahn wieder starten sollte und nur der erste Teil des Zuges losfuhr - die hinteren Waggons blieben stehen. Als sich unter den Fahrgästen, die einfach zurückgelassen worden waren, Unruhe breit machte, tauchte ein Bahnmitarbeiter in Warnweste auf. Und mit entwaffnender Logik beruhigte er sofort die erhitzten Gemüter, die wissen wollten, wie so etwas passieren könne: „Der Lokführer hat wohl nicht durchgesagt, dass dieser Teil des Zuges in Plochingen abgekoppelt wird.“ Na, wenn das so ist . . .
Warum sollte die Bahn auch darauf hinweisen, dass ein Teil des Zuges einfach stehen bleibt? Wenn man den Fahrgästen schon immer weniger Komfort bietet, darf’s wenigstens ein bisschen Nervenkitzel sein. Schließlich treiben solche Pannen den Adrenalinspiegel im Handumdrehen in astronomische Höhen, wenn man zum Beispiel auf dem Weg ins Kino, Theater oder Konzert ist und pünktlich da sein will. Und die Taxi-Branche freut sich auch, wenn sie unverhoffte Geschäfte mit denen macht, die partout zur rechten Zeit am Ziel sein wollen und deshalb nicht einfach auf den nächsten Zug warten können. Wer weiß: Vielleicht entwickelt sich daraus ja sogar ein neuer Geschäftszweig für die Bahn, die gerade jeden Cent brauchen kann, weil Stuttgart 21 so teuer wird, dass sogar Bahn-Chef Grube den Spaß am Milliardenprojekt verloren hat. Wie wär’s, wenn das Unternehmen - natürlich gegen Aufpreis - Erlebnis-Bahnreisen anbieten würde? Jede Fahrt wird zur Wundertüte, weil keiner weiß, wann er unter welchen Umständen am Ziel ankommt. Dass die Bahn so etwas beherrscht, beweist sie regelmäßig auf der Stecke Tübingen - Stuttgart.