Gerd Schneider, Chefredakteur der Eßlinger Zeitung Foto: Bulgrin - Bulgrin

Herr Schneider, die Eßlinger Zeitung hat seit einigen Tagen einen neuen Internetauftritt. Was steckt dahinter?

Schneider: Ganz einfach: Unsere alte Website war in die Jahre gekommen. Daher haben wir ein rundum neues Design entwickelt, das heutigen Ansprüchen gerecht wird. Unsere Seiten im Netz sind jetzt moderner, aufgeräumter, übersichtlicher und viel komfortabler. Sie bieten auchmehr Service. Die Seite passt sich dem jeweiligen Format an, je nachdem, ob man sie auf dem Smartphone, einem Tablet oder einem PC nutzt. Wir reagieren damit auf die sich ändernde Mediennutzung.

Was ändert sich noch?

Schneider: Wir erweitern unser digitales Angebot in den kommenden Monaten, und zwar erheblich. Dafür bauen wir unsere Redaktion personell aus und strukturieren sie um. Wir werden schneller, aktueller und liefern unseren Lesern im Netz deutlich mehr Inhalt als bisher. Unser Anspruch ist es, dass die Leute, die sich über das Geschehen in Esslingen und der Region informieren wollen, an der EZ nicht vorbei kommen. Das gilt für die Zeitung wie für das Netz.

Treten die digitalen Kanäle damit in Konkurrenz zur gedruckten EZ?

Schneider: Dieser Ansatz ist überholt. Die Tageszeitung und das Internet sind für uns keine Konkurrenten, sondern die perfekte Ergänzung. Die gedruckte Zeitung steht mehr und mehr für Hintergrund und Vertiefung. Die digitalen Medien verschaffen uns Journalisten Möglichkeiten, die wir uns früher gar nicht vorstellen konnten. Mit dem E-Paper können wir die Zeitung eins zu eins online abbilden. Wichtige Nachrichten werden digital in Echtzeit verbreitet. Und mit unseren Lesern können wir über das Netz direkt und ganz unkompliziert kommunizieren. Dank Internet erreichen wir heute mehr Leser als je zuvor.

Heißt das nicht, dass die Tageszeitung an Bedeutung verliert?

Schneider: Auch diese Befürchtung hat sich nicht bewahrheitet. Für viele Menschen hat die Zeitung aus Papier nichts von ihrer Faszination verloren. Wie erklären Sie sich das? Schneider: Das Netz ist das ideale Medium für die schnelle Nachricht. Die Zeitung dagegen setzt mehr denn je auf journalistische Qualität, Orientierung und Durchdringung. Das wird immer wichtiger in einer Welt, deren Komplexität zunimmt. Außerdem geht jede große gesellschaftliche Bewegungmit einer Gegenbewegung einher. Je allgegenwärtiger das Digitale ist, umso größer wird die Sehnsucht nach analoger Qualität. Darum stehen handgemachte Dinge so hoch im Kurs. Die Leute entdecken die Langsamkeit wieder. Und dazu passt doch wunderbar eine Zeitung aus Papier.

Wie verändert der digitale Journalismus die Zeitung?

Schneider: Wir setzen in Zukunft noch mehr als heute schon auf exklusive lokale und regionale Themen und Geschichten. Das sind unsere Trümpfe. Kein anderes Medium ist auch nur annähernd so nah dran am lokalen und regionalen Geschehen wie die EZ. Und niemand anders berichtet so umfassend darüber. Manche Zeitungen stellen ihre Inhalte kostenlos ins Netz.

Warum ist das bei der EZ anders?

Schneider: Davon rücken viele Zeitungen wieder ab, und das ist auch gut so. In meinen Augen war es ein verhängnisvoller Fehler, die Leser an die Gratiskultur im Netz zu gewöhnen. So entwertet man die eigene Arbeit. Umso schwieriger ist es dann, das Rad wieder zurückzudrehen. Wir unterhalten einen ganzen Apparat an hoch qualifizierten Redakteuren, die Themen aufspüren, schreiben, recherchieren, redigieren und die Zeitung produzieren. Journalistische Qualität hat ihren Preis, egal ob gedruckt oder online. Daher ist die EZ von Anfang an einen anderen Weg gegangen – auch aus Gründen der Gerechtigkeit gegenüber den Abonnenten.

Also bekomme ich gar keine kostenlosen Inhalte, wenn ich auf esslinger-zeitung.de klicke?

Schneider: Nein, so ist es natürlich nicht. Ein breites Grundangebot an Informationen ist kostenlos. Dazu zählen Nachrichten vomnationalen und internationalen Geschehen, aus der Politik, Wirtschaft, dem Sport. Dazu gibt es ein freies lokales Basisangebot wie Polizeiberichte, Unfälle, Verkehr etc., außerdem Bildergalerien und Videos. Als exklusive kostenpflichtige Inhalte betrachten wir lokale und regionale Themen, die wir selbst generieren. Das ist unseren Digitalabonnenten vorbehalten – oder denjenigen, die sich für 89 Cent einen Tagespass kaufen. Zeitungsabonnenten können zu einem geringen Aufpreis das Kombi-Abo aus Print und Online beziehen. Darin enthalten sind auch die E-Paper- Ausgabe und Archivfunktionen. Denjenigen, die diese digitalen Angebote noch nicht kennen, kann ich nur empfehlen, sie auszuprobieren. Es war noch nie so einfach und so komfortabel, online Zeitung zu lesen.

Bleibt die bisherige E-Paper- Ausgabe erhalten?

Schneider: Selbstverständlich. Immer mehr Leser wissen es zu schätzen, die aktuelle Zeitung online lesen zu können, nicht nur auf Reisen oder im Urlaub. Wir wollen damit auch jüngere Leser für die Zeitung begeistern. Aber auch ältere Leser schätzen die Vorzüge des E-Papers. Mittelfristig ist es das Ziel, unseren Digital- oder Premiumabonnenten schon am Abend vor dem Erscheinungstag der Zeitung den Lokalteil im Netz anzubieten, sozusagen als digitale Abendzeitung.

In welche Richtung wird sich der Journalismus Ihrer Meinung nach insgesamt entwickeln?

Schneider: Was die Nachrichten angeht, folgen wir einem Trend, den man in die drei Schlagworte fassen kann: live, bewegt und mobil. Bei größeren Ereignissen werden Live-Ticker immer wichtiger. Ebenso Bewegtbilder, also Videos. Und das alles mobil abrufbar, also auf dem Smartphone. Davon abgesehen wird sich der Journalismus mit seinen digitalen Verbreitungskanälen immer weiter ausdifferenzieren: über Blogs, soziale Netzwerke, Kurznachrichtendienste, Diskussionsforen etc. Alles ist in Bewegung.